Das Nidwaldner Museum Winkelriedhaus bringt Hinterglasgemälde aus mehreren Jahrhunderten zusammen und zeigt, wie eine vermeintlich traditionelle Kunstform bis heute weiterentwickelt wird. Zeitgenössische Werke stehen historischen Arbeiten gegenüber und eröffnen neue Perspektiven auf Bildsprache, Material und Blickbeziehungen.
Hinter Glas – Historische und zeitgenössische Positionen im Dialog
- Publiziert am 9. Dezember 2025
Robert Zünd & Franz Amstad – Zwei Perspektiven auf Hinterglasmalerei
Robert Zünd (1827–1909): Der Luzerner Landschaftsmaler ist vor allem für seine naturalistischen Naturdarstellungen bekannt. Weniger bekannt, aber für diese Ausstellung zentral: Zünd experimentierte auch mit Hinterglasmalerei und schuf kleinformatige Ölskizzen auf Glas, in denen er Licht, Farbe und Reflexion bewusst herausforderte. Diese Werke zeigen ihn als neugierigen Beobachter, der über die traditionelle Leinwand hinausdenkt und eine Technik erkundet, die Bildwirkung und Wahrnehmung neu verhandelt.
Franz Amstad (1892–1961): Amstad steht für die Weiterführung der Hinterglasmalerei als Teil der religiösen Volkskunst der Zentralschweiz. Seine Werke verbinden handwerkliche Tradition mit alltäglichen Glaubensbildern und entwickeln dabei eine eigene Ausdruckskraft, die durch die Materialität des Glases intensiviert wird. Licht und Oberfläche werden zu aktiven Bestandteilen des Bildes – nicht als Effekt, sondern als zentrales Gestaltungsmittel.
Im Dialog: Während Zünds Hinterglasarbeiten als künstlerischer Versuch gelten, die Landschaftsmalerei zu öffnen, repräsentiert Amstad eine gewachsene Tradition, die über Generationen weitergegeben wurde. Gemeinsam zeigen sie, wie vielseitig Hinterglasmalerei in der Schweiz war – und wie fruchtbar die Verbindung von Experiment und Volkskunst sein kann.

Historische Vielfalt, aktuelle Positionen
Die Präsentation vereint Werke von Silvia Gertsch, Romuald Etter, Flavio Micheli und Esther Wicki-Schallberger mit Hinterglasmalereien aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Historische Positionen wie jene von Robert Zünd (1827–1909) oder Franz Amstad (1892–1961) sowie kostbare Gemälde der Künstlerfamilien Abesch und Meyer machen sichtbar, wie unterschiedlich die Technik im Laufe der Zeit eingesetzt wurde – zwischen religiöser Volkskunst, Landschaftsstudien und heutigen Bildmotiven. Die Familie Abesch, mit der bedeutenden Hinterglasmalerin Anna Maria Barbara Abesch (1706–1773), prägte im 18. Jahrhundert eine der ersten professionellen Werkstätten dieser Technik in Sursee, während die Familie Meyer aus Grosswangen im 18. und 19. Jahrhundert für ihre regionale Verbreitung steht und damit die historische Bedeutung dieser Kunstform in der Zentralschweiz belegt. Die Auswahl zeigt, wie sehr Hinterglasmalerei auf regionale Traditionen zurückgeht und dennoch offen bleibt für neue Themen und Ausdrucksformen. So entsteht ein breites Panorama einer Technik, die immer wieder neu angepasst und befragt wurde.
Material, Oberfläche, Wahrnehmung
Im Fokus steht, was passiert, wenn Licht, Oberfläche und Spiegelung zu einem festen Bestandteil des Werkes werden. Die Betrachter:innen sind nie nur Zuschauer:innen – sie werden Teil des Bildes, das ihre eigene Präsenz reflektiert. «Hinter Glas» macht deutlich, dass die Technik nicht nostalgisch wirkt, sondern im Austausch mit aktuellen künstlerischen Fragestellungen neue Relevanz gewinnt. Gleichzeitig wird spürbar, dass die besondere Materialität eine eigene visuelle Sprache hervorbringt, die im musealen Kontext ebenso überzeugt wie in der zeitgenössischen Kunstproduktion ausserhalb traditioneller Ausstellungspraxen. Silvia Gertsch etwa interpretiert die Hinterglasmalerei radikal neu – ihre Serien wie «Handy Girls» zeigen Alltagsszenen junger Frauen und holen das Glasmedium mitten in unsere Gegenwart. Romuald Etter und Flavio Micheli erweitern das Spektrum: Etter mit gestisch-expressiven Nachtlandschaften und Micheli mit grossformatigen abstrakten Arbeiten auf Opalglas – beide zeigen, wie flexibel und modern Hinterglas heute sein kann. Esther Wicki-Schallberger verbindet in ihren Werken die Hinterglas-Tradition mit zeitgenössischer Bildsprache und spannt so einen Bogen zwischen alter Volkskunst und aktueller Kunstproduktion.

