Ist «Portrait de l’artiste par lui-même» wirklich ein echter Gauguin? Aufgrund jüngster Fragen zur Zuschreibung des Gemäldes führte das Museum eine Untersuchung durch, die eine Provenienzforschung, kunsttechnologische Analysen und die Konsultation internationaler Expert:innen umfasste. Die Erhebungen bestätigen die Zuschreibung an Gauguin. Die Analyse ergab jedoch auch, dass es postume partielle Übermalungen gibt, die sich auf einen Zeitraum zwischen 1918 und 1926 eingrenzen lassen.
Gauguin-Krimi in Basel: Rätsel um Selbstporträt gelöst
- Publiziert am 28. Oktober 2025
Zu krank zum Malen? Ein Selbstporträt von Gauguin im Fokus der Forschung
Im März 2025 äusserte der Sammler und Gauguin-Enthusiast Fabrice Fourmanoir gegenüber dem Kunstmuseum Basel Zweifel an der Echtheit von Paul Gauguins Selbstporträt «Portrait de l’artiste par lui-même» (1903). Das Werk befindet sich seit 1945 in der Sammlung des Museums. Laut Fourmanoir sind alle 1903 datierten Werke von Gauguin Fälschungen, da der Künstler zu diesem Zeitpunkt zu krank gewesen sei, um noch zu arbeiten. Gauguin starb am 8. Mai 1903 in Atuona, dem Hauptort der Insel Hiva Oa, Teil der Inselgruppe der Marquesas, Französisch-Polynesien. Fourmanoir vermutete, das Werk sei nach einer Fotografie von Gauguin von dessen Freund und Pfleger Ky-Dong, mit richtigem Namen Nguyen Van Cam, gemalt worden.
Schon früher Bedenken
Die Abteilungen Provenienzforschung, Restaurierung, Kunst des 19. Jahrhunderts und Klassische Moderne des Museums nahmen dies zum Anlass, das Werk aus unterschiedlichen Perspektiven genauestens zu untersuchen. Die Authentizität des Bildes wurde schon 1924, als es verauktioniert werden sollte, in Frage gestellt. In einer Ausstellung in der Kunsthalle Basel 1928 wurde es dann als «mutmassliches Selbstbildnis» geführt. 1945 kam das Gemälde durch ein Vermächtnis in die Sammlung des Kunstmuseums. Der damalige Direktor Georg Schmidt widmete dem Selbstportrait eine lange und differenzierte Betrachtung inklusive der bekannten Fragezeichen in Bezug auf die Echtheit des Werks im Jahresbericht des Kunstmuseums im Zugangsjahr. Die Untersuchungen der Provenienzforschung haben die von Fourmanoir gelieferten Hinweise überprüft, eingeordnet und die Provenienzkette mit eigenen Recherchen ergänzt.
Übermalt, aber original: Gauguin-Selbstporträt gibt Rätsel auf
Das Gemälde wurde in den vergangenen Monaten zudem in der Restaurierungsabteilung des Kunstmuseums Basel kunsttechnologisch untersucht. Neben der mikroskopischen Untersuchung wurden die bildgebenden Verfahren der technischen Fotografie unter Normal- und UV-Beleuchtung, der Infrarotreflektografie sowie der Radiografie eingesetzt. Zur Identifizierung der Binde- und Farbmittel von Grundierung und Malschicht wurden Mikroproben entnommen und durch das Kunsttechnologische Labor der Hochschule der Künste Bern analysiert. Die Untersuchungsergebnisse wurden mit publizierten Daten von Werken aus Gauguins letzter Schaffensphase verglichen. Diese Untersuchungen haben ergeben, dass die wesentlichen Malmaterialien des Porträts der Zeit um 1900 entsprechen. Dies trifft sowohl auf den Bildträger als auch auf die Farb- und Bindemittel zu, die allesamt auch auf anderen Werken Gauguins Verwendung fanden. Allerdings zeigen die Untersuchungsergebnisse auch, dass das Werk im Gesicht malerisch überarbeitet wurde; dies betrifft die Bereiche von Stirn, Augen, Kinnbart, Nase und Hals. Die Übermalungen zeigen unter Anregung im UV-Licht eine geringere Fluoreszenz, möglicherweise bedingt durch eine andere Zusammensetzung der Ölfarben.
Ohne Zweifel ein Werk Gauguins
Zudem konnten in den übermalten Partien Anteile von Titanweiss nachgewiesen werden. Da diese Farbe erst ab 1918 Verbreitung fand, müssen diese Retuschen zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein. Eine im Kunstmuseum befindliche und auf 1926 datierte Aufnahme des Gemäldes zeigt bereits das heutige Erscheinungsbild. Folglich können die Übermalungen auf einen Zeitraum von ca. 1918 bis 1926 eingegrenzt werden. Anlass dafür könnte ein anstehender Verkauf gewesen sein. Zusätzlich zu den eigenen Untersuchungen hat das Kunstmuseum Basel das Gauguin Komitee des Wildenstein Plattner Institute in Paris konsultiert, einer international zusammengesetzten Expertengruppe, die den digitalen Catalogue Raisonné zu Paul Gauguin erarbeitet hat und herausgibt. Diese haben das Werk begutachtet, und nach Überzeugung des Komitees handelt es sich beim «Portrait de l’artiste par lui-même» ohne Zweifel um ein Werk Gauguins. Es wird daher weiterhin im Werkverzeichnis online aufgeführt (als Autoportrait aux lunettes). Im Zuge der publik gewordenen Untersuchungen an dem Gemälde wurde das Kunstmuseum ausserdem von einer Forscherin der Universität Leicester kontaktiert, Dr. Lorraine M. Paterson. Als Biografin des vietnamesischen Exilanten Nguyen Van Cam hat sie die Recherchen des Kunstmuseums mit neuen Informationen über den mit Gauguin eng vertrauten ersten Besitzer des Werks ergänzt.
Fazit
Zusammenfassend ergibt sich aus den neuen und überprüften Informationen folgendes Bild: Es ist höchst unwahrscheinlich, dass das Werk eine spätere Fälschung ist. Wahrscheinlicher ist, dass es 1903 von Gauguin geschaffen wurde, möglicherweise mit Unterstützung von Nguyen Van Cam. Hier besteht allerdings keine absolute Gewissheit. Nachgewiesen wurde eine partielle Überarbeitung des Porträts durch Dritte zwischen 1918 und 1926. Eine Fälschungsabsicht ist nicht erkennbar. Das Kunstmuseum betont in seiner Medienmitteilung, dass es sich freue, die komplexe Geschichte des Werks und seinen Platz in Gauguins Spätwerk geklärt zu haben.