Im Gewerbemuseum Winterthur präsentiert die Designinstitution Domaine de Boisbuchet einen einzigartigen Blick auf die Vielfalt architektonischer Farbgebung. Ausgehend vom Einfluss lokaler Gesteine und Pigmente auf regionale Bautraditionen führt die Ausstellung weiter zu bedeutenden internationalen Architekturkonzepten seit den 1920er-Jahren bis zu aktuellen Gestaltungsansätzen.
Domaine de Boisbuchet zu Gast im Gewerbemuseum Winterthur
- Publiziert am 5. Dezember 2025
AUSSTELLUNGSSTATIONEN
AM ANFANG WAR DIE FARBE
Etwa 120 Kilometer südöstlich von Boisbuchet liegt die weltberühmte Höhle von Lascaux, die wegen ihrer Malereien oft als die Sixtinische Kapelle der Steinzeit bezeichnet wird. Obwohl steinzeitliche Höhlen nicht als Architektur gelten, zeugen sie von den ältesten Überresten menschlicher Besiedlung. Durch die Verwendung natürlicher Pigmente wie Ocker, Holzkohle und Hämatit stand den Menschen in der Frühzeit eine vielfältige Farbpalette zur Verfügung.
FARBE IST LICHT
Licht – natürliches wie künstliches – ist für die Architektur von zentraler Bedeutung. Die wechselnden Tages- und Jahreszeiten verändern die Erscheinung von Gebäuden und Räumen ständig, nicht nur in ihren Hell-Dunkel-Werten, sondern auch in ihrer Farbigkeit. Denn Farben entstehen erst in unserer Wahrnehmung des Lichts, das auf Material trifft.
FARBE UND MATERIAL
Die architektonische Materialvielfalt der Nouvelle-Aquitaine, in der sich die Domaine de Boisbuchet befindet, spiegelt die verschiedenen geologischen Formationen und das reiche kulturelle Erbe der Region wider. Das Zusammenspiel von Farben traditioneller und moderner Materialien schafft eine dynamische und sich entwickelnde Landschaft. Das nahe Boisbuchet gelegene Städtchen Confolens dient als aufschlussreiche Fallstudie für die Erforschung von Architektur und Farbe.
FASSADEN ALS BOTSCHAFT
Farben wecken Assoziationen und senden Signale, und die Wände von Gebäuden sprechen Bände, sofern wir sie zu lesen wissen. Manchmal wird uns die Mitteilung geradezu entgegengeschleudert, und Architektur wird dadurch zur Werbefläche.
INTERPRETATIONEN VON MODERNITÄT
Farben zeugen, besonders seit der industriellen Revolution, oft von bedeutenden Umwälzungen im Bauwesen. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts waren dies der Historismus und der Jugendstil. Es folgten die Konzepte des niederländischen De Stijl und des deutschen Bauhauses, daran anknüpfend der Internationale Stil nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Kritik der Postmoderne.
REPRÄSENTIEREN UND ZELEBRIEREN
Werden Farben in der Architektur bewusst eingesetzt, dienen sie oft der Dekoration, charakterisieren aber auch den sozialen Status oder verweisen auf die Bedeutung von Orten und Anlässen. Dabei kündigen sich Veränderungen schon früh in den Stimmungen neuer Farbpaletten an.
FUNKTIONALE FARBEN
Farben können Menschen durch komplexe Bereiche leiten, Nutzungszonen kennzeichnen und die Sicherheit eines Gebäudes erhöhen. Darüber hinaus kann Farbe das psychologische und emotionale Wohlbefinden des Einzelnen nachhaltig beeinflussen.
LEARNING BY DOING
Designer:innen reagieren auf den raschen Wandel in Technologie, Gesellschaft und Umwelt mit interdisziplinärer Forschung, sozialen Programmen und der Wertschätzung natürlicher Ressourcen. Das zeigt sich auch in der innovativen Arbeit auf der Domaine de Boisbuchet, wo Studierende und Forschende die vielfältige Anwendung von Farbe erkunden.

Seit rund 35 Jahren
Die Domaine de Boisbuchet ist ein bedeutendes Designzentrum mit einer herausragenden Sammlung und Bibliothek und gleichzeitig ein internationales Forschungslabor für Design und Architektur. Die Institution im Südwesten Frankreichs widmet sich seit über drei Jahrzehnten der Frage, wie Farben Architektur und Wahrnehmung beeinflussen. Farben vermitteln Stimmungen, Identitäten und kulturelle Veränderungen – gerade in Zeiten des Wandels. Auf dem grosszügigen Landgut mit historischem Schloss, initiiert von Alexander von Vegesack, dem ehemaligen Direktor des Vitra Design Museums, werden seit den späten 1980er-Jahren Workshops, Ausstellungen und Experimente zu Design, Materialforschung und Baukultur durchgeführt. Das Gewerbemuseum Winterthur gibt dieser international renommierten Institution nun eine eigene Bühne.
Herausragende Designikonen
Die Ausstellung «Farben der Architektur» zeigt das breite Spektrum regionaler Farbkulturen – geprägt durch lokale Gesteine, Materialtraditionen und Pigmente – ebenso wie internationale Architekturkonzepte der Moderne bis zur Gegenwart. Beiträge von Le Corbusier oder Alvar Aalto treffen auf jüngste Entwicklungen im Architektur- und Designschaffen weltweit. Die von Mathias Schwartz-Clauss und Guillermo Gil Fernández kuratierte Schau schlägt einen weiten Bogen: von frühen Höhlenmalereien in Lascaux über die Farbtheorien der Moderne bis hin zu globalen Licht- und Farbkonzepten der aktuellen Baukultur. Zahlreiche Exponate aus den interdisziplinären Sommerworkshops der Domaine machen sichtbar, wie Forschung und Gestaltung ineinandergreifen.
Neben zeitgenössischen Designer:innen wie Cécile Vignau und Nathanaël Abeille oder der Farbgestalterin Barbara Schwärzler werden auch Designklassiker aus der Sammlung von Vegesack (Charlotte Perriand, Jean Prouvé, Gerrit Rietveld u. a.) präsentiert. Ergänzt wird die Ausstellung durch grossformatige Fotografien sowie Publikationen aus dem Archiv der Domaine de Boisbuchet.
Alexander von Vegesack – der Initiator
Alexander von Vegesack hat in Boisbuchet einen Ort geschaffen, an dem Design, Forschung und Bildung auf einzigartige Weise zusammenfinden. Die 150 Hektar grosse Domaine mit Schloss, Pavillons und experimentellen Bauten entwickelte sich zu einem bedeutenden Treffpunkt für internationale Gestalter:innen. Während der Sommermonate wird Boisbuchet zur offenen Werkstätte unter freiem Himmel: renommierte Architekt:innen und Designer:innen leiten Workshops, in denen Ideen unmittelbar ausprobiert, weitergedacht und gemeinsam umgesetzt werden. Der Austausch mit Fachleuten aus aller Welt prägt dabei jedes Projekt – und macht Boisbuchet zu einer lebendigen Zukunftswerkstatt für Design und Architektur.