Die Ausstellung thematisiert die Farbgebung prägenden, internationalen Architekturkonzepte der 1920er-/1930er-Jahre und zeigt deren Nachhall bis hin zu neuesten Gestaltungsansätzen. Die Domaine de Boisbuchet ist ein bedeutendes Designzentrum mit einer herausragenden Sammlung und Bibliothek und gleichzeitig ein internationales Forschungslabor für Design und Architektur.
Domaine de Boisbuchet zu Gast im Gewerbemuseum Winterthur
- Publiziert am
Mit «Farben der Architektur» zeit die renommierte Designinstitution die vielfältige Ausgestaltung architektonischer Farbgebung.
AUSSTELLUNGSSTATIONEN
AM ANFANG WAR DIE FARBE
Etwa 120 km südöstlich von Boisbuchet liegt die weltberühmte Höhle von Lascaux, die wegen ihrer Malereien oft als die Sixtinische Kapelle der Steinzeit bezeichnet wird. Obwohl steinzeitliche Höhlen nicht als Architektur gelten, zeugen sie von den ältesten Überresten menschlicher Besiedlung. Durch die Verwendung natürlicher Pigmente wie Ocker, Holzkohle und Hämatit stand den Menschen in der Frühzeit eine vielfältige Farbpalette zur Verfügung.
FARBE IST LICHT
Licht – natürliches wie künstliches – ist für die Architektur von zentraler Bedeutung. Die wechselnden Tages- und Jahreszeiten verändern die Erscheinung von Gebäuden und Räumen ständig, nicht nur in ihren Hell-Dunkel-Werten, sondern auch in ihrer Farbigkeit. Denn Farben entstehen erst in unserer Wahrnehmung des Lichts, das auf Material trifft.
FARBE UND MATERIAL
Die architektonische Materialvielfalt der Nouvelle-Aquitaine, in der sich die Domaine de Boisbuchet befindet, spiegelt die verschiedenen geologischen Formationen und das reiche kulturelle Erbe der Region wider. Das Zusammenspiel von Farben traditioneller und moderner Materialien schafft eine dynamische und sich entwickelnde Landschaft. Das nahe Boisbuchet gelegene Städtchen Confolens dient als aufschlussreiche Fallstudie für die Erforschung von Architektur und Farbe.
FASSADEN ALS BOTSCHAFT
Farben wecken Assoziationen und senden Signale, und die Wände von Gebäuden sprechen Bände, sofern wir sie zu lesen wissen. Manchmal wird uns die Mitteilung geradezu entgegengeschleudert, und Architektur wird dadurch zur Werbefläche.
INTERPRETATIONEN VON MODERNITÄT
Farben zeugen, besonders seit der industriellen Revolution, oft von bedeutenden Umwälzungen im Bauwesen. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts waren dies der Historismus und der Jugendstil. Es folgten die Konzepte des niederländischen De Stijl und des deutschen Bauhauses, daran anknüpfend der Internationale Stil nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Kritik der Postmoderne.
REPRÄSENTIEREN UND ZELEBRIEREN
Werden Farben in der Architektur bewusst eingesetzt, dienen sie oft der Dekoration, charakterisieren aber auch den sozialen Status oder verweisen auf die Bedeutung von Orten und Anlässen. Dabei kündigen sich Veränderungen schon früh in den Stimmungen neuer Farbpaletten an.
FUNKTIONALE FARBEN
Farben können Menschen durch komplexe Bereiche leiten, Nutzungszonen kennzeichnen und die Sicherheit eines Gebäudes erhöhen. Darüber hinaus kann Farbe das psychologische und emotionale Wohlbefinden des Einzelnen nachhaltig beeinflussen.
LEARNING BY DOING
Designer:innen reagieren auf den raschen Wandel in Technologie, Gesellschaft und Umwelt mit interdisziplinärer Forschung, sozialen Programmen und der Wertschätzung natürlicher Ressourcen. Das zeigt sich auch in der innovativen Arbeit auf der Domaine de Boisbuchet, wo Studierende und Forschende die vielfältige Anwendung von Farbe erkunden.
Seit rund 35 Jahren
Auf einem grosszügigen Landgut im Südwesten Frankreichs werden seit 35 Jahren Workshops, Ausstellungen und Veranstaltungen organisiert. Farben besitzen in der Architektur seit jeher eine grosse Aussagekraft. Besonders in Zeiten des Umbruchs, in denen Konzepte und Trends sich wandeln, zeigt sich, dass wir Farben als emotionale und individuelle Signale wahrnehmen. Die Identität und Bedeutung unserer Architektur spiegeln sich somit unweigerlich in ihren Farben und Materialien wider. Die Domaine de Boisbuchet, initiiert von Alexander von Vegesack, dem ehemaligen Direktor des Vitra Design Museums, widmet sich seit rund 35 Jahren diesen Themen und hat sich in der internationalen Designszene einen exzellenten Ruf erarbeitet. Mit der französischen Institution teilt das Gewerbemuseum Winterthur das Interesse an grundlegenden Gestaltungsfragen – von sozialen und ökologischen Aufgaben über die Materialkunde bis hin zu den sich verändernden Anforderungen an Designschaffende. Das Museum bietet der Domaine de Boisbuchet nun eine eigene Plattform
eine Plattform.
Herausragende Designikonen
In «Farben der Architektur» präsentiert die Domaine de Boisbuchet ihre Sicht auf das breite Spektrum regionaler Farbgebung, die von lokalen Gesteinen und Pigmenten beeinflusst ist. Weiter zeigt die Schau prägende, internationale Architekturkonzepte der 1920er- und 1930er-Jahre von Le Corbusier oder Alvar Aalto und deren Nachhall ebenso wie Beispiele aus der neuesten Architektur und dem zeitgenössischen Design. Zudem werden Ergebnisse aus interdisziplinären Sommerworkshops oder Residencies von internationalen Designschaffenden vorgestellt. Die von Mathias Schwartz-Clauss, Direktor der Domaine de Boisbuchet, und Guillermo Gil Fernández, Projektkoordinator und Leiter Research der Domaine de Boisbuchet, konzipierte Schau widmet sich den vielen Facetten, die Farbe bei der Gestaltung der gebauten Umwelt spielt. Sie führt von den Anfängen der bemalten Höhlenwände von Lascaux bis zu globalen Farb- und Lichtkonzepten der gegenwärtigen Baukultur.
Der forschende Blick richtet sich auf verschiedene Themen, wie zum Beispiel die traditionelle Baukultur und lokale Materialien im französischen Département Charente sowie deren Einfluss auf die Farbigkeit der Gebäude der Region. Dabei werden der kulturelle und technische Wandel in Handwerk und Industrie, sich verändernde Gestaltungssprachen und tendenzen sowie die Entstehung neuer Bautypen und -formen der letzten hundert Jahre beleuchtet. Viele Beispiele aus der Region von Boisbuchet zeigen eine überraschende Vielfalt in der Farbpalette lokaler Architektur. Neben Werken zeitgenössischer Design, Architektur- und Kunstschaffender wie den Designer:innen Cécile Vignau und Nathanaël Abeille, den Glasmaler:innen Philippe Riffaud und Françoise Théallier, dem Künstler Kevin Todd, der Architektin Marie-Pierre Servantie und der Farbgestalterin Barbara Schwärzler, zeigt die Schau auch herausragende Designikonen aus Alexander von Vegesacks Sammlung (Charlotte Perriand, Jean Prouvé, Gerrit Rietveld u. a.) sowie Leihgaben regionaler Institutionen wie der DRAC, dem CAUE Charente, der Stadt Royan und der ENSAD Limoges. Die rund 45 Objekte werden von mehr als 90 Fotografien, einige davon im Grossformat, sowie von Veröffentlichungen aus dem Archiv der Domaine de Boisbuchet begleitet.
ALEXANDER VON VEGESACK: DER INITIATOR VON BOISBUCHET
Die Domaine de Boisbuchet war der Traum des Designliebhabers und -experten Alexander von Vegesack, dem Gründungsdirektor des Vitra Design Museums (1989–2010). In Boisbuchet hat er einen Ort geschaffen, der Design, aber auch Forschung und Bildung zusammenbringt. Ende der 1980er-Jahre erwarb er die 150 Hektar grosse Domaine mit dem historischen Schloss und mehreren Dienstgebäuden. Seither hat sich die Institution zu einem bedeutenden Treffpunkt unterschiedlichster internationaler Protagonist*innen aus Design und Architektur entwickelt. Erweitert durch vielfältige Bauten und experimentell entstandene Pavillons ist das Areal zu einem Architekturpark angewachsen, der für Workshops, Veranstaltungen und Ausstellungen oder schlicht als Unterkunft Raum bietet. Jedes Jahr werden für die Sommerworkshops Architekt*innen und Designer*innen aus der ganzen Welt eingeladen, um jeweils einwöchige Workshops auf dem Campus durchzuführen. In dieser Zeit wird die Domaine de Boisbuchet zu einer grossen Open-Air-Werkstatt, wo Design und Architektur in einem dezidiert ländlichen Rahmen erprobt und erforscht werden. Die Teilnehmenden erhalten Einblicke in Prozesse und Techniken renommierter Gestalter*innen und die Möglichkeit, sich mit gleichgesinnten Fachleuten auszutauschen.