Marina Abramović gehört zu den Superstars des zeitgenössischen Kunstbetriebs. Sie blickt auf ein über fünfzigjähriges Schaffen zurück und hat mit ihren legendären Performances (Kunst-)Geschichte geschrieben. Doch ihr Werk wurde in der Schweiz seit langem nicht mehr umfassend gezeigt. Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich mit Bildhauerei, Video, Installation und Performance gibt nun Einblick in das Lebenswerk dieser einzigartigen Künstlerin.
Die Grande Dame der Performancekunst beehrt Zürich
- Publiziert am 10. September 2024
«Ich bin eine Performance-Künstlerin, ich möchte etwas schaffen, mit dem das Publikum interagieren kann, das es fühlen kann, mit dem es eine persönliche Erfahrung mit seiner eigenen Art von Energie machen kann.»
Marina Abramović
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Englisch und Deutsch, in dem internationale Autor:innen die Hintergründe von Marina Abramovićs Werk beleuchten. Zudem hat Marina Abramović für das Kunsthaus Zürich eine limitierte Sonderedition geschaffen (Foto: Michel Comte), die das Kunsthaus in Zusammenarbeit mit der Neuen Zürcher Zeitung produziert hat. Die Ausstellung im Kunsthaus Zürich ist in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden und wird von Mirjam Varadinis, Curator-at-large am Kunsthaus Zürich, kuratiert. Sie ist eine Kooperation mit der Royal Academy of Arts, London, dem Stedelijk Museum Amsterdam sowie dem Bank Austria Kunstforum Wien.
Kunst als (Selbst-)Erfahrung
In ihrem Werk hat Marina Abramović (*1946 Belgrad) immer wieder die Grenzen ihrer eigenen körperlichen und psychischen Belastbarkeit getestet – und das Publikum eingeladen, diese Erfahrungen mit ihr zu teilen. In ihrem späteren Werk konzentriert sich Abramović auf die Erhebung des menschlichen Geistes, auf Meditation und Heilung. Der Künstlerin geht es immer auch mental und emotional um eine neue Selbsterfahrung. Sie fordert mit ihren Werken sich und uns heraus. Das zeigte sich auch in der schon legendären Performance «The Artist Is Present» (2010) im Museum of Modern Art, New York. Acht Stunden, drei Monate lang sass die Künstlerin täglich an einem Tisch und lud das Publikum ein, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Jeglicher physische oder verbale Kontakt war verboten, die Verbindung entstand nur über den Blick und die Augen. Es war eine kathartische Erfahrung.
Partizipatorische Arbeiten
Die umfassende Retrospektive am Kunsthaus Zürich gibt Einblick in das vielfältige Schaffen dieser einzigartigen Künstlerin. Es sind Werke aus allen Schaffensperioden und unterschiedlichen Gattungen wie Video, Fotografie, Skulptur und Zeichnung zu sehen. Zudem werden ikonische Performances wie «Imponderabilia» (1977) und «Luminosity» (1997) live reinszeniert. «Imponderabilia» hatte Marina Abramović erstmals in Bologna performt, zusammen mit ihrem damaligen Lebenspartner Ulay (1943–2020). Die beiden standen nackt im Eingang zum Museum, mit dem Gesicht zueinander gedreht, und die Besuchenden mussten sich durch sie durchzwängen. Die Arbeit war eine Metapher dafür, dass Kunstschaffende die Grundpfeiler des Museums sind, und dass der Eintritt durch diese Tür eine Erfahrung bedeutet, die die Besuchenden in eine neue Welt entlässt, nämlich die der Kunst. Die Erfahrung war und ist auf vielen Ebenen «imponderable» (nicht einschätzbar) und individuell verschieden, doch in jedem Fall eine starke Begegnung. Auch in Zürich wird die Performance gleich zu Beginn der Ausstellung gezeigt, um so das Publikum physisch und mental in einen anderen Raum bzw. Zustand zu überführen. Denn die Retrospektive am Kunsthaus Zürich ist mehr als eine klassische Ausstellung. Sie ist eine alle Sinne ansprechende Erfahrung und lädt die Besuchenden zu Interaktion und direkter Teilnahme ein. Dieser Fokus auf den partizipatorischen Arbeiten macht die Ausstellung zu einem einzigartigen Erlebnis und unterscheidet die Präsentation in Zürich von den vorherigen Stationen. Mit der speziell für das Kunsthaus Zürich konzipierten Arbeit «Decompression Chamber» regt Marina Abramović das Publikum an, einen Moment innezuhalten und zu «de-komprimieren» – also zu entspannen und in einen anderen Gefühls- oder Seinszustand zu gelangen und so nicht nur sich selbst, sondern auch die Welt neu zu entdecken und wahrzunehmen.
(Textgrundlage: Kunsthaus Zürich)