Silvia Bächli (*1956) gilt als eine der bedeutendsten Kunstschaffenden im Medium der Zeichnung und vertrat die Schweiz 2009 an der Biennale in Venedig. Doch wurden ihre Arbeiten bereits in den 1990er-Jahren international gezeigt und gefeiert. Das Museum Langmatt präsentiert nun eine neue Serie von grossformatiger Arbeiten auf Papier und untersucht den wechselvollen Bezug zwischen Zeichnung und Malerei.
Das Museum Langmatt zeigt neue Arbeiten von Silvia Bächli
- Publiziert am 7. März 2023
Silvia Bächli Farbfelder
Als Farbe findet Gouache Verwendung: wasserlöslich und in der Konsistenz ein breites Spektrum aufweisend von durchscheinend bis deckend. Titel und Format der 2022 entstandenen Arbeiten sind identisch: «Farbfeld», 102 × 72 cm. Manchmal bilden auch zwei dieser Formate ein doppelt so grosses. Es handelt sich um Zeichnungen, insofern einzelne Pinselstriche, also Linien sichtbar sind und Papier als Träger Verwendung findet. Zugleich sind die Arbeiten aber auch Malerei, da die Bildgestalt flächige Formen aufweist und flüssige Farbe gebraucht wird. Der Reiz der Werke liegt in einem mäandernden «Dazwischen». Die Farben zeigen eher gedeckte, zurückhaltende Valeurs. Sie verzichten auf polychrome Opulenz. Warme Rotbraun-, präsente Blau- und schilfige Grüntöne überwiegen.
Verflüssigte Linien
Die Farben wirken schlicht und bescheiden wie die Formen der Farbfelder und die Pinselstriche. Zurückhaltung ist ihnen auferlegt, in gewisser Weise ein Ausdruck der Kontemplation, als seien sie nach innen gewandt und lauschten einer für uns zunächst nicht zugänglichen Innenwelt. Ohne Rahmen und Verglasung sind die Arbeiten nur mit feinen Nadeln auf der grauen Stoffbespannung der Galerie befestigt. Daher dürfen sich die Papiere ihrem Naturell entsprechend verhalten. Sie wölben sich oder zeigen sanfte Wellen. Die auffallende, formale Zurückhaltung von Farben, Formen und Präsentation lässt einen unerwarteten atmosphärischen Reichtum sichtbar werden: Manchmal ist es die magische Transparenz der Farbe, manchmal sind es verflüssigte, aufgelöste Linienbündel, und manchmal die behutsam gesetzte Abfolge der Arbeiten in der Gemäldegalerie, die zu einer stillen, paradoxerweise aber intensiven, verinnerlichten Ausstrahlung führen und in ihrer materiellen Bescheidenheit geradezu verzaubern.
Was machst du – Bild – mit mir?
In einer Gegenwart der Bildüberfrachtung begegnet uns eine fast schon provokante Einkehr. In den reduzierten Werken treten uns Erwartungslosigkeit, Bescheidenheit und Schweigen gegenüber. Ohne vordergründige religiöse Signale zu senden, wirken die Arbeiten transzendent, beseelt, verweisen auf etwas, das in ihnen oder jenseits ihrer materiellen Gestalt verborgen liegt. Dieses bildliche Nachdenken im sinnlichen Dialog führt uns zu einer entscheidenden Frage: Was machst du – Bild – mit mir? Wohin führst du mich? Mit welchen Erinnerungen setzt du mich in Verbindung? So individuell diese Wege auch sein mögen, so unterschiedlich die Erinnerungen und Assoziationen, Bezüge zu Erlebtem oder Geträumten, in einem Punkt treffen sie alle wieder zusammen: Es ist die Erfahrung, dass uns in diesen Arbeiten die unendliche Fülle der Welt und die vielen Facetten unserer eigenen Person in berührender Einfachheit begegnen.
Kunst als ruhender Gegenpol
Die «Farbfelder» von Silvia Bächli können als kleine Fluchtinseln in unserer zunehmend fragileren Gegenwart verstanden werden: In einer unruhigen Zeit finden wir ruhende Gegenpole. Die relative Lebenssicherheit innerhalb der westlichen Gesellschaften ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten erodiert. Die «Farbfelder» sind kein politisches Statement. Sie führen uns jedoch an einen Punkt der Bescheidenheit und Einsicht, dass sehr wenig, viel mehr sein kann, als viel.
(Text: Markus Stegmann, Museum Langmatt)