Gunta Stölzl und Johannes Itten gehören zu den Wegbereiter:innen der Textilkunst. Im Zentrum der umfassenden Ausstellung stehen biografische Knotenpunkte, ihre lebenslange, kollegiale Verbundenheit und ihren wegweisenden Einfluss auf die Schweizer Textilkunst. Eine Kabinettausstellung zeigt ausserdem das frühe Schaffen von Sophie Taeuber.
Das Kunstmuseum Thun verwandelt sich in ein textiles Universum
Eine opulente Ausstellung zeigt die enge Verbindung zwischen den Bauhausmeister:innen Gunta Stölzl und Johannes Itten.
Im Projektraum enter des Kunstmuseums Thun wird in der gleichen Zeitspanne die Kabinettausstellung SOPHIE TAEUBER. TEXTILREFORMERIN gezeigt. Sie befasst sich mit dem frühen textilen Schaffen von Sophie Taeuber (1889–1943). Im Zentrum stehen neu entdeckte Muster für die Klöppelheimarbeit im Berner Oberland. Sophie Taeuber unterstützte 1915 das erfolgreiche Projekt «Klöppelindustrie», das ihre spätere Kollegin an der Gewerbeschule Alice Frey-Amsler initiiert hatte, um Frauen im Lauterbrunnental durch die Erneuerung der Spitzentradition ein höheres Einkommen zu ermöglichen.
Parallele Biografien
Bauhaus in Weimar, 1919: Da begegneten sich der Schweizer Maler und Kunsttheoretiker Johannes Itten und die deutsche Weberin und Textildesignerin Gunta Stölzl zum ersten Mal. Sie war Leiterin einer Weberei-Klasse und Vertreterin der damals gering geschätzten «Weiberkunst» in einem männerdominierten Umfeld, er war Lehrer und grosser Unterstützer von Stölzls Fachbereich. Itten hat das Potential gesehen, das sich später bestätigte: Die Textil-Fachklasse entwickelte sich im Bauhaus letztlich zur einzigen wirtschaftlich-profitablen Abteilung. Wenige Jahre nach der Rückkehr Ittens in die Schweiz, emigriert 1931 auch Gunta Stölzl nach Zürich. Während ihr Wegbegleiter von 1938 bis 1953 die Kunstgewerbeschule und von 1943 bis 1960 die Textilfachschule Zürich (heute: Schweizerische Textilfachschule) leitete, gründete Stölzl zusammen mit den Bauhaus-Absolvent:innen Gertrud Preiswerk und Heinrich-Otto Hürlimann die Firma S-P-H-Stoffe. Danach führte sie während drei Jahrzehnten eine Handweberei und widmete sich schliesslich bis zum Tod ihrem eigenen künstlerischen Schaffen, das zahlreiche bemerkenswerte Wandteppiche umfasst.
Pinsel und Faden
Dass sich auch Johannes Itten, zu dessen Frühwerk das Kunstmuseum Thun 2020 eine Sonderausstellung zeigte, umfassend mit textiler Gestaltung beschäftigt hat, ist weniger bekannt. Demnach bietet die rund 200 Exponate umfassende Ausstellung eine eindrückliche Gelegenheit, Itten als Textilgestalter neu zu entdecken. Im Paarlauf mit Gunta Stölzl, die als «Klassikerin der Textilkunst» gilt, werden Schlüsselwerke aus internationalen Museen und Privatsammlungen gezeigt. Mit ihren innovativen Ornament- und Textilformen, avantgardistischen Material- und Textilstrukturen oder dem experimentellen Einsatz der Fotografie haben Stölzl und Itten Textilgeschichte geschrieben und den Grundstein dafür gelegt, dass sich die Schweiz zu einer wichtigen Drehscheibe für die moderne Textilkunst entwickelte.
Die Ausstellung beinhaltet auch punktuelle szenografische Interventionen der zeitgenössischen schweizerischen Textildesignerin Annina Arter (*1987, Kathmandu).
(Textgrundlage: Kunstmuseum Thun)