Oft heisst es ganz allgemein, dass Gegenwartskunst unverständlich sei. Nur: Was heisst eigentlich «verstehen» im Kontext von zeitgenössischer Kunst? Und verstehen alle immer das Gleiche unter «verstehen»? Das Helmhaus Zürich hat sich mit einer Gruppe von Gegenwartskünstler:innen zusammengetan, um darüber nachzudenken.
Das Helmhaus widmet eine ganze Ausstellung der Kunst des Verstehens
Verstehen ist immer «das Problem des Anderen» – eine künstlerische Annäherung an ein Grundprinzip der Kommunikation.
Gruppenausstellung mit Lisa Bärtschi, Sandra Boeschenstein, Susanne Keller, Damon Mark, Simon Risi, Lisa Schiess, Alberto Villafuerte | Selbstverständliches von Stephanie Hess, Sasha Huber, Michelle Maddox, Romain Mader, Pat Noser, Jenny Rova, Gaël Sapin, Denis Savi, Denys Shantar | Kurator:innen: Cristiana Contu, Nathalie Killias und Daniel Morgenthaler
Das Problem des Anderen
Wenn es ums Verstehen geht, haben wir die Tendenz, das Problem beim Anderen oder bei Anderen zu suchen. Bei Kunstwerken, die wir nicht verstehen, und die von Künstler:innen wahrscheinlich zu konfus oder obskur gestaltet wurden. Oder bei unseren menschlichen Gegenübern, die sich doch bitte die Mühe machen sollen, sich uns verständlicher zu machen. Daher der Untertitel dieser Gruppenausstellung, der einem Buch des bulgarischen Schriftstellers Tzvetan Todorov entliehen ist (bei dem es auch um das zerstörerische Potenzial des Verstehens geht).
Emotionales Verstehen
Im Erarbeitungsprozess zu dieser Ausstellung zeigte sich, dass der geborgte Untertitel ironisch gelesen werden kann – und muss. Denn sieht man das Problem nur beim Anderen oder bei den Anderen, kommt man wohl kaum weiter mit dem Verstehen. Es könnt sein, dass man bei einem Kunstwerk schlicht ein unpassendes Verstehen anwenden, und es besser erfassen würden, wenn man es zum Beispiel emotionaler anschauen würde? Und vielleicht verstehen man eine:n Andere:n dann eher, wenn man diese Person eben weniger zu etwas Anderem machen – und sich
vielmehr über die Gemeinsamkeiten verständigt?
Künstlerisches Selbstverständnis
Die Künstler:innen der Gruppenausstellung «verstehen» machen das Verstehen aktiv zu ihrem Problem. Sie bauen Modelle für das Verstehen; sie fragen sich, was die Bildende Kunst vielleicht besser versteht, als die Wissenschaft; sie zeigen auf, dass verkrampftes Verstehenwollen das Gegenüber im schlimmsten Fall sogar verletzen kann; und sie machen etwas vermeintlich Einfaches, um zu verstehen: Sie fragen die Anderen (387 Andere, um genau zu sein). Zudem haben Bildende Künstler:innen schon vor Jahrhunderten eine Technik erfunden, sich zuerst selbst besser zu verstehen, bevor die:der Andere zum Problem degradiert wird: das Selbstporträt. Eine Anzahl zeitgenössischer Beispiele für diese künstlerische Übung im Selbstverständnis bevölkert nun auch diese Ausstellung.