Die von der renommierten Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen kuratierte Ausstellung macht sich in der Sammlung des Kunsthauses auf die Suche nach Werken von Künstelrinnen und bietet eine Gelegenheit, den kunsthistorischen Kanon neu zu hinterfragen. Der Fokus liegt dabei auf den 1970er bis 1990er-Jahren. In fünf thematischen Erzählungen wird das Verhältnis von visueller Kunst und sexueller Differenz in der Moderne und Postmoderne beleuchtet.
Aargauer Kunsthaus | Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau ...
Kunstschaffende in der Ausstellung (Auswahl)
Silvia Bächli (*1956), Alice Bailly (1872–1938), Ina Barfuss (*1949), Miriam Cahn (*1949), Olivia Etter (*1956), Katrin Freisager (*1960), Gabrielle Grässle (*1956), Garance Grenacher (*1943), Leiko Ikemura (*1951), Marianne Kirchhofer (*1947), MANON (*1946), Donatella Maranta (*1959), Nanne Meyer (*1953), Meret Oppenheim (1913–1985), Hannah Villiger (1951–1997), Klaudia Schifferle (*1958), Doris Stauffer (1934–2017), Sophie Taeuber-Arp (1889– 1943), Susann Walder (1959–2015), Ilse Weber (*1908–1984) und weitere
Prof. Dr. Elisabeth Bronfen ist Professorin für Anglistik und American Studies an der Universität Zürich und Gastprofessorin an der New York University. Sie habilitierte an der Universität München mit dem Werk «Over Her Dead Body: Death, Femininity and the Aesthetic». Als Spezialistin für Literatur und Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts schreibt sie Artikel und Bücher in den Bereichen Gender Studies, Psychoanalyse, Film, Kulturgeschichte und -theorie sowie Bildwissenschaft. Als Expertin zu kulturwissenschaftlichen Fragestellungen und Amerikanischer Politik trägt sie regelmässig zum aktuellen Mediengeschehen bei. Sie arbeitet zunehmend auch mit Kulturinstitutionen zusammen, insbesondere als Kuratorin und Katalogautorin.
Der weibliche Blick
Warum dieser Fokus auf Künstlerinnen? In der Schweiz sind in den letzten Jahren grosse Einzelausstellungen zu sehen gewesen: Lee Krasner im Zentrum Paul Klee, Sophie Taeuber-Arp (nach Aarau) auch im Kunstmuseum Basel, Meret Oppenheim und Heidi Bucher im Kunstmuseum Bern. Es liegt auf der Hand, sich jetzt einen Überblick zu verschaffen, was zwischen 1970 und 2000 die Anliegen der Schweizer Künstlerinnen waren. Nicht, um die damals brisante Frage nach einem spezifisch weiblichen Blick nochmals aufzugreifen; es geht darum, mit einem vom feministischen Diskurs um sexuelle Differenz geschärften Blick auf diese Kunst zurückzublicken.
Schweizerische Postmoderne
Entscheidend ist auch ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, an was in unserer Kultur erinnert wird und an was nicht. Das lässt sich mit dem Blick der Gegenwart auf die Präsenz von Künstlerinnen im ausgehenden 20. Jahrhundert exemplarisch zeigen. In Anbetracht dessen, dass damals Künstlerinnen zum ersten Mal an verschiedenen Orten auftraten und in hohem Masse rezipiert wurden, bleibt offen, warum sie in den folgenden beiden Jahrzehnten so schnell wieder ausgeblendet wurden. Gleichzeitig bringt die Gastkuratorin Elisabeth Bronfen die spezifisch Schweizerische Postmoderne ans Licht; hier zeigt sich ein ganz eigenes Erbe der Moderne und der Nachkriegszeit. Gegliedert ist die Ausstellung in fünf Schwerpunkte, welche die Kunst von Frauen vorwiegend auf ihren Einfluss auf die jeweiligen Kunstströmungen hin untersucht und in einem zweiten Schritt auch eine Geschichte der Kunst von Frauen fortschreibt.
«Ausgestellt»: Verwandelte Körperbilder
Die Geschichte der weiblichen Aktmalerei und figurativer Frauendarstellungen war über mehrere Jahrhunderte hinweg fremdbestimmt. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper setzt ab den 1970er-Jahren in Formen des Action Painting sowie durch die körperbetonte Performance Art ein. Auffallend ist, dass viele Künstlerinnen das intime Medium der Zeichnung oder die Momentaufnahme in Fotografien wählen, um Körperbilder darzustellen. Gabrielle Grässle (*1956), Silvia Bächli (*1956), Hannah Villiger (1951–1997) und Katrin Freisager (*1960) sind nur einige Beispiele dafür.
«Frauenzimmer»: Das Interieur als intimer Schauplatz
Bereits bevor politische Aktivistinnen in der zweiten Welle der Frauenbewegung die Forderung nach der Aufhebung der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem propagierten, trugen Künstlerinnen wie Ilse Weber (*1908–1984) oder Garance Grenacher (*1943) ihr Privat- und Atelierleben in öffentliche Ausstellungen. Ihnen folgten Künstlerinnen wie Leiko Ikemura (*1951), Ina Barfuss (*1949) oder auch MANON (*1946).
«Das versehrte Gesicht»: Selbstbildnisse anderer Art
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird die Vorstellung, wie ein Gesicht im Bild eingefangen werden kann problematisiert. Das zeigt sich in den kubistisch-futuristischen Portraits und Darstellungen von Alltagsszenen der Westschweizerin Alice Bailly (1872–1938). Das Portrait dient anschliessend immer öfter einer Dekonstruktion dessen, was als typisch weibliche Selbstdarstellung gelten soll. Auch Klaudia Schifferle (*1958), Marianne Kirchhofer (*1947) und Miriam Cahn (*1949) brechen überholte Geschlechterkonventionen auf.
«Pop als Haltung»: Eigenwillige Aneignungen der Alltagskultur
Eine besondere Form dieser Dekonstruktion des Weiblichen wird in der Pop Art vollzogen. Die kritische, in Farbe und Form lustvolle Betrachtung der alltäglichen Konsumformen, lässt viele Künstlerinnen auf humorvolle Weise mit Stereotypen brechen. Doris Stauffer (1934–2017) und Donatella Maranta (*1959) richten den Blick auf Haushaltsgegenstände; Vereinbarkeit von Familie und Künstlerinnenberuf sowie Kritik am patriarchalen System schwingen mit. Die ironischen Selbstdarstellungen von Susann Walder (1959– 2015) zielen auf das Objekthafte des weiblichen Rollenbilds im kapitalistischen Wertsystem.
«Ver-Rücktes Sehen»: Witz und visuelle Experimente
Ungewohnte Seherlebnisse entstehen durch gegensätzliche Bildanordnungen oder bewusste Überlagerungen. Störungen der gewohnten Bildwahrnehmung in Werken von Sophie Taeuber-Arp (1889–1943), Meret Oppenheim (1913–1985), Nanne Meyer (*1953) und Olivia Etter (*1956) führen den Betrachtenden vor Augen, wie eine spielerische Transformation des Bekannten in den Alltag überführt werden kann.
Die Summe ihrer Wiederholung
Die Ausstellung schafft eine bislang selten gezeigte Übersicht über das Schaffen unterschiedlichster Künstlerinnen in der Schweiz und angrenzender Länder. Gezeigt wird ein Querschnitt, was Künstlerinnen zwischen den 1970er und 1990er Jahren thematisch und ästhetisch-formal beschäftigt hat. Ausgehend von der hauseigenen Sammlung wird die Ausstellung ergänzt mit Leihgaben aus Privatbesitz und Institutionen. Der Titel der Ausstellung «Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau…» lehnt sich an das Gedicht «Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose» der Amerikanischen Schriftstellerin, Verlegerin und Kunstsammlerin Gertrude Stein an. Er versteht sich auch als eine Lesart des Frau- Seins, die oftmals erst in der Summe ihrer Wiederholung vollends ersichtlich wird, ohne je auf eine einzige Essenz festgelegt zu werden. Der Zeitraum von 1970 bis 2000 ermöglicht auch eine Art Spurensicherung von Vorläuferinnen aus früheren Dekaden der Moderne. Zusätzlich wird sichtbar, wie konsequent das Aargauer Kunsthaus in ihrer Ausstellungs- und Sammlungsgeschichte sich generell Künstlerinnen gewidmet hat.
Text: Aargauer Kunsthaus