Weil auch das Schweizer Kino einen festen Platz in Locarno haben soll, wurde extra für ihn eine eigene Sektion geschaffen. Doch wer das Programm lediglich als nationale Werkschau begreifen und den Vorzug dem Piazza-Programm oder den Wettbewerben gibt, der verpasst so richtig was! Ein Einblick in das Panorama Suisse und die Filme, die wir Ihnen besonders ans Herz legen.
Das «Panorama Suisse» steht für Vielfalt im Schweizer Filmschaffen
- Publiziert am 4. August 2023
Alle Filme der Sektion «Panorama Suisse»
«Big Little Woman» | Nadia Fares | Switzerland/Egypt (2022)
«Flores Del Otro Patio» | Jorge Cadena | Switzerland/Colombia (2022)
«Foudre» | Carmen Jaquier | Switzerland (2022)
«I Giacometti» | Susanna Fanzun | Switzerland (2023)
«Jill» | Steven Michael Hayes | Switzerland/Germany (2022)
«Krähen – Nature is watching us» | Martin Schilt | Switzerland/Austria (2023)
«L’Amour Du Monde» | Jenna Hasse | Switzerland (2023)
«Pipes» | Jessica Meier, Kilian Feusi, Sujanth Ravichandran | Switzerland (2022)
«Polish Prayers» | Hanna Nobis – Switzerland/Poland (2022)
«The Land Within» | Fisnik Maxville | Switzerland/Kosovo (2022)
«The Record» | Jonathan Laskar | Switzerland (2022)
«This Kind Of Hope» | Paweł Siczek | Switzerland/Germany (2023)
«Until Branches Bend» | Sophie Jarvis | Canada/Switzerland (2022)
Fünf Schweizer Filme, die mit dem gesamten Programm mithalten können
Foudre
So Manche:r hat sich gewünscht, dass «Foudre» von Carmen Jaquier in diesem Jahr den Schweizer Filmpreis gewinnt. Doch wir erinnern uns – die Jury gab den Vorzug dem nicht weniger anspruchsvollen Alpendrama «Drii Winter». Beiden Filmen gemeinsam ist ihr unkonventioneller Blick auf das Leben und Lieben in den Schweizer Aplen. «Foudre» spielt etwa um 1900 und stellt die junge und fromme Elisabeth in den Mittelpunkt. Während sie nach ihrer Rückkehr in ihr Südschweizer Heimatdorf versucht herauszufinden, was wirklich mit ihrer verunglückten Schwester passiert ist, werden bei ihr unerwartete Bedürfnisse geweckt. Eine unheilvolle Dynamik wird entfesselt, dessen Kraft sich jedoch keine:r mehr in den Weg stellen kann. Eine mutige Emanzipationsgeschichte, die vielleicht zu gewagt war für den Schweizer Filmpreis. In Locarno kann «Foudre» jedoch problemlos mit den Filmen im «Concorso internazionale» mithalten.
Hier geht es zum Interview mit der Regisseurin.
This Kind Of Hope
Ein staatenloser Diplomat – eigentlich ein Widerspruch an sich. Doch wir leben in Zeiten, in denen vieles, was undenkbar war, zu unserer Realität gehört. «This Kind Of Hope» stellt einen Mann vor, in dessen Biografie sich die heutige Krise schon angekündigt hat. Andrei Sannikov war in den 1990er-Jahren an der nuklearen Abrüstung Weissrusslands beteiligt und wurde unter dem Diktator Lukaschenko zum Staatsfeind. Aus dem Exil setzt er sein Wirken jedoch beharrlich fort – der Filmtitel gibt einen Vorgeschmack auf die programmatische Botschaft dieser wunderbaren Dokumentation von Paweł Siczek. Ein Film, den man auch in der «Semaine de la critique» erwarten würde.
Until Branches Bend
Als der Gewinnerfilm des Prix de Soleure 2023 bekannt gegeben wurde, waren viele überrascht: «Until Branches Bend» der kanadisch-schweizerischen Regisseurin Sophie Jarvis würde man im Englischen wohl mit «querky» beschreiben – am ehesten mit verschroben-komisch zu übersetzten. Eine junge und etwas verschrobene Erntehelferin findet einen merkwürdigen Käfer in einer Aprikose, doch keiner will ihr glauben, dass es sich dabei um etwas un- oder übernatürliches handelt. Die Solothurner Jury las in diesem Film eine engagierte Botschaft für mehr Nachhaltigkeit heraus. In Locarno wäre er eigentlich auch ein Anwärterfilm für den im letzten Jahr neu geschaffenen «Pardo Verde WWF» – das Kätzchen in Grün.
L’Amour Du Monde
Jenna Hasses Debütfilm war bereits auf der diesjährigen Berlinale in der Sektion Generation Plus zu sehen, erhielt dort eine Lobende Erwähnung der Jury und konnte sich auch schon in den Schweizer Kinos behaupten. Und trotzdem ist es nur richtig, dass «L’Amour du Monde» in Locarno nicht vergessen geht. Die vielversprechende Regisseurin erzählt in ihrem ersten Langfilm von drei sehr unterschiedlichen jungen Menschen, die sich für einen Sommer Halt geben, mit und voneinander lernen und so eine neue «Liebe zur Welt» finden. Eigentlich auch ein Kandidat für die Sektion «Concorso Cineasti del presente»
Hier geht es zum Interview mit Jenna Hasse”:https://arttv.ch/film/interview-jenna-hasse-lamour-du-monde/.
The Land Within
Ein junger Mann kehrt in seine verlorene Heimat zurück und begibt sich auf die Suche nach seiner eigentlichen Herkunft. Während die letzten Mitglieder seiner Familie und ehemalige Freunde in ihm nur den unwissenden Rückkehrer sehen, vermag er es jedoch viel mehr zu begreifen und anzustossen, als den Einheimischen lieb ist. Der talentierte und ambitionierte kosovarisch-schweizerische Regisseur Fisnik Maxville imaginiert in «The Land Within» eine Herkunftserzählung und schafft ein bildgewaltiges, an den magischen Realismus erinnerndes Werk. Damit wäre sein Film auch im Programm der «Fuori concorso» sehr gut aufgehoben.