Was als harmloses Spiel unter sieben Freund:innen beginnt, wird rasch zu einem emotionalen Minenfeld voller Lügen, Wahrheiten und überraschender Offenbarungen. Die Schweizer Dialektfassung von Paolo Genoveses Welterfolg – vielfach verfilmt und preisgekrönt – bringt die Shake Company nun ins Bernhard Theater Zürich und zeigt mit scharfem Blick, wie fragil Nähe wird, wenn das Handy zur Waffe mutiert. Für arttv.ch gesehen hat das Stück Alain Ziehbrunner.
Wenn ein Handy plötzlich alles offenbart
- Publiziert am 11. Dezember 2025
«Das perfekte Geheimnis» – ein Abend, der Vertrauen, Wahrheit und Freundschaft gnadenlos auf die Probe stellt.
Vertrauen ist gut – Kontrolle besser
Sieben langjährige Freunde treffen sich, wie schon so oft, zum Abendessen. Es sollte eigentlich ein gemütlicher Abend mit guten Gesprächen und gutem Essen werden. Doch dann lassen sich die Anwesenden auf ein scheinbar harmloses Spiel ein: Alle legen ihr Handy auf den Tisch, und jede eingehende Nachricht wird laut vorgelesen, gezeigt oder abgespielt. – Was ist schon dabei? Schliesslich ist man lange befreundet und hat nichts voreinander zu verbergen.Was arglos beginnt, entwickelt sich rasant zu einem explosiven Verwirrspiel voller Überraschungen, Lügen und unerwarteter Wahrheiten. Ob die Freunde wirklich alles voneinander wissen wollten …
Vom Filmerfolg zur Bühnenfassung
Paolo Genovese brachte 2016 den Film «Perfetti sconosciuti» («Völlig unbekannt») in die italienischen Kinos – ein Kassenschlager. Kurz darauf schrieb er auch eine Bühnenfassung, der die Aufführung im Bernhard Theater folgt.
Bis heute wurde diese moderne Komödie in über 25 Ländern neu verfilmt – so auch 2019 auf Deutsch von Bora Dagtekin, der sowohl das Drehbuch schrieb als auch Regie führte und produzierte. Der Film gewann mehrere Preise, unter anderem den Bambi (Film National), den Deutschen Filmpreis 2020 (Sonderpreis für den besucherstärksten Film), den Bayerischen Filmpreis sowie den österreichischen Romy-Akademiepreis. Am 23. Oktober 2021 hatte das deutschsprachige Theaterstück in Wien Premiere. Sieben Monate später folgte die Deutschlandpremiere in Hamburg, und drei Monate darauf feierte die Komödie in der Dialektfassung von Nico Jacomet ihre Schweizer Erstaufführung in Bern. Nun ist diese Fassung in Zürich angekommen und wird von der
Shake Company in Kooperation mit NI&CO gespielt.
Sieben Schauspieler:innen stellen sich einem Seelenstriptease
Gewöhnliche Menschen glaubhaft darzustellen, ist oft anspruchsvoller, als überzeichnete Figuren zu spielen. In dieser Komödie, die langsam in tragische Tiefen kippt, begegnen einem Menschen wie du und ich – mit Beziehungen, Geheimnissen und blinden Flecken. Was zu Beginn nach alltäglichem Smalltalk klingt, wird rasch zu einer emotionalen Zerreissprobe. Allmählich treten Persönlichkeiten scharf hervor, erste Beziehungsmuster werden sichtbar. Als Zuschauer:in entsteht fast das Gefühl, am Tisch mitzusitzen. Doch nichts ist, wie es scheint – und jeder vermeintlich klare Moment wird von neuen Enthüllungen unterwandert. Die Inszenierung ist dramaturgisch fein gebaut: Leichtfüssige Trivialität trifft auf überraschenden Tiefgang, humorvolle Passagen auf schmerzhafte Wahrheiten. Die Dialoge sind präzise gesetzt und tragen den Rhythmus des Abends. Moira Albertalli (abwechselnd mit Viola Tami), Sabrina Kern, Hans-Caspar Gattiger, Lavdrim Xhemaili, Meryl Marty, Flavio Dal Molin und Dominik Widmer verkörpern ihre Figuren glaubhaft, nuanciert und angenehm unprätentiös. Überzeichnungen werden nur dosiert eingesetzt – ein Gewinn für das Stück, das seine Wirkung über feine Brüche entfaltet. Der enthusiastische Schlussapplaus zeigt: Das Ensemble hat sein sehr gemischtes Publikum abgeholt und sicher durch die Untiefen dieses Abends geführt. So verlässt man das Bernhard Theater gut unterhalten – mit Denkanstössen, die man (sofern der Film unbekannt war) kaum erwartet hätte.
Fazit: Diese Produktion verdient definitiv volle Säle.

