Co-Leiter Rafael Sanchez beginnt die Saison im Neumarkttheater mit der Inszenierung der bitterbösen Komödie “Der Boss vom Ganzen” von Lars von Trier
Theater Neumarkt | Der Boss vom Ganzen
Die allgegenwärtige Rationalität der Geschäftswelt hat Bruchstellen. Durch sie hindurch zeigen sich schemenhaft die Urgestalten billiger Theatralik, Dämonen des Schabernacks und Fratzen zweitklassiger Götzen, die noch heute in der Welt des Business Mitsprache halten. Das Prinzip «Harmonie ist eine Strategie» (Tocotronic) wird vom Dänen Lars von Trier in «Der Boss vom Ganzen» an seine Grenzen geführt. Perfekt beschreibt es das Gebaren der Schweiz im täglichen Kampf ums Dasein.
Der erfolgreiche Unternehmer Ravn hat seine Firma jahrelang durch einen Phantomboss leiten lassen, auf den er unangenehme Entscheidungen abwälzen konnte. Jetzt will er sein Geschäft hinter dem Rücken der Mitgründer zu Geld machen, aber der konservative japanische Kaufinteressent besteht auf Verhandlungen mit dem wahren Chef, jenem nicht existenten «Boss vom Ganzen». Ravn heuert einen Schauspieler an. Die Begegnung mit dem unbekannten Chef allerdings verursacht bei den Mitarbeitern existenzielle Verwirrungen und reisst tiefe Wunden auf. Kristoffer muss sich den emotionalen Verstrickungen im Betrieb stellen, gleichzeitig steigt ihm seine Rolle zu Kopf.
Zu Beginn des Stücks äussert ein «Regisseur», hinter dem man den Dogma-Begründer Lars von Trier erkennt: «Vermuten Sie nicht mehr dahinter als eine Komödie.» Nichtsdestoweniger wird die grosse Frage aufgeworfen nach der Rolle von Moral in der Ökonomie: Die scheint ziemlich fragwürdig, aber nicht deshalb, weil alle pervers, rücksichtslos und gemein sind, sondern weil Erfolg von so etwas Windigem wie Schauspiel und Schauspielern abhängig ist.