Keine Hölle ist so gut geheizt wie die in der eigenen Familie, jedenfalls in Leoš Janáceks Oper «Katja Kabanowa». Die Titelheldin ist dem Psychoterror der Schwiegermutter ausgeliefert.
Theater Basel I Katja Kabanowa
Kritik
Es ist eine enge, aufs genaueste sozial kontrollierte und überwachte Welt, in der Katja Kabanowa ihren träumerischen und leidenschaftlichen Ausbruchsversuch wagt und tragisch scheitert. Regisseur Armin Petras hat die hermetische, von unterdrückender, grausamer Kontrolle geprägte Dorfgemeinschaft ersetzt durch eine isoliert auf einer seismographischen Forschungsinsel in einem unfertigen Beton- und Plastikplanenbau (Bühne: Kathrin Frosch) hausende Gruppe von Forschern, welche unter der Fuchtel der gnomenhaft hässlichen und bösen Marfa Kaban (Dagmar Pecková spielt diese Hexe grossartig) funktionieren sollen… Mary Mills ist das vokale Ereignis der Aufführung. Je mehr sie sich von ihrer tristen Umgebung innerlich entfernt, desto wärmer und blühender erklingt ihre traumhaft schöne Sopranstimme. Eine Stimme, wie man sie sich passender und empfindsamer für diese Rolle gar nicht vorstellen kann. Da ist eine Intensität des Ausdrucks vorhanden, ein überwältigendes Auskosten der von Janácek so sparsam, dafür umso effektvoller gesetzten lyrischen Aufschwünge, welche schlicht und einfach begeisterten. Weiterlesen auf oper-aktuell
Für art-tv und oper-aktuell: Kaspar Sannemann, 17. September 2012
Eine bitter-böse Geschichte aus dem alten Russland
Die Oper «Katja Kabanowa» handelt nur scheinbar von Katja Kabanowa. Leoš Janácek berichtet zwar von jener in provinziellen Gesellschaftsstrukturen beheimateten Frau namens Katja, die eines vorhersehbaren Tages fast zwanghaft in Erfahrung zu bringen sucht, wie es sich anfühlt, wenn man alle Regeln bricht; handeln jedoch lässt der tschechische Komponist sein Musiktheater im Wesentlichen von den betonharten Architekturen menschlicher Abhängigkeitsverhältnisse. Davon, wie die Mitglieder des Kleinstadtkollektivs einander bruchsichere Fussfesseln anlegen, um durch permanente gegenseitige Kontrolle und subtile Erpressungsmethoden jede Gefährdung ihres fragwürdigen Existenzmodells auszuschliessen. Entworfen wird eine musikalische Erzählung, die den Befreiungsversuch einer einzelnen Abtrünnigen als verkraftbares Beben im System vorführt.
Leoš Janácek
Janáceks Klangsprache ist aufreibend, widersprüchlich und intuitiv. Und so mehrdeutig interpretiert sie die (leisen oder schreienden) Ausdrucksversuche der agierenden Figuren, dass eine zweifelsfreie (moralische) Beurteilung der Geschehnisse ausser Reichweite gerät. Eine gleichermassen aufregende wie geheimnisvolle Ausgangslage für Armin Petras, der am Theater Basel mit seiner szenischen Reaktion auf Janáceks «Katja Kabanowa»-Partitur erstmals als Opernregisseur in Erscheinung tritt.