Starke Texte, spannende Musik, ein hervorragendes Orchester; dies und eine kluge Inszenierung machen die Oper “Die Drei Frauen” zu einem visuellen Klangerlebnis, welches begeistert.
Theater Basel | Drei Frauen
Kritik:
Woran mag es gelegen haben, dass man diese beinahe zweistündige (Ur-) aufführung zeitgenössischer Musik als derart kurzweilig empfand?
Lag es an den starken Texten (Nietzsche, Botho Strauss, Heinrich von Kleist)? – Ja, aber nicht nur.
Lag es an der vielschichtigen, spannenden Musik, welche Wolfgang Rihm für die DREI FRAUEN komponiert hatte? – Ja, aber nicht nur.
Lag es am hervorragend und mit so grosser Selbstverständlichkeit spielenden Sinfonieorchester Basel, welches diese Musik mit einer Präzision spielte, als gehöre sie zum Standardrepertoire? – Ja, aber nicht nur.
Lag es an den drei herausragenden Sopranistinnen, welche diese drei unterschiedlichen Frauengestalten so faszinierend und mit überwältigender Eindringlichkeit auf der Bühne darstellten?- Ja, aber nicht nur.
Lag es am Dirigenten André de Ridder, welcher dieser Musik durch seine ?bersicht und Disposition erst zum Leben erweckte und die Fäden so klug spannte? – Ja, aber nicht nur.
Lag es an der schlichten und doch bildstarken Eindringlichkeit der Inszenierung (Regie: Georges Delnon, Bühne: Roland Aeschlimann, Kostüme: Marie-Thérèse Jossen, Licht: Hermann Münzer)? – Ja, aber nicht nur.
Nein, es war der Glücksfall der Verbindung und die gekonnte Verschmelzung all dieser Elemente, welche ein faszinierendes Neues entstehen liessen!
Für Aria/Ariadne schrieb Rihm eine lyrische, zarte Musik, mit wunderbaren Kantilenen der Streicher. Yeree Suh stellte auf der Bühne mit ihrem reinen, leuchtenden Sopran die Verletztheit und Trauer dieser Ariadne aufs Wunderbarste dar. Immer wieder suchte sie Trost im Drücken des kleinen weissen Kissens, das in der Mitte der Bühne lag, versteckte Liebesbriefe im riesigen Wäscheschrank, blieb aber am Ende doch als alte, gebrochene Frau einsam zurück. Rolf Romei als Dionysos schaute ihrer Verzweiflung aus dem Publikum genüsslich zu, begann auch von da zu singen, sprang über die Zuschauerreihen und verhöhnte sie gleichsam mit seinen parodistischen, beinahe dadaistischen Gesängen und der Zurschaustellung seines makellosen Körpers. Ich bin dein Laby-by-by-by…..rinth. Starker, kurzer Auftritt eines tollen Sängers!
Selbstbewusster, herber und rauer dann die Anita von Rayanne Dupuis: Das Kissen ist grösser geworden, doch sie braucht es eigentlich nicht. Aus dem Schrank kommt nicht der ersehnte Adler, in welchen sie ihre wollüstigen Fluchtphantasien projiziert, sondern schlappe Männergestalten, welche sie mit einer kuzen Bewegung zu Boden schmeisst. Zum ersten Zwischenspiel wurde aus Dionysos (Photoshop sei Dank) ein Adler, nun verwandelt sich der Adler während des zweiten Zwischenspiels zum blutüberströmten Haupt des von Penthesilea ermordeten Achilles. Das Kissen nimmt nun beinahe den gesamten Bühnenraum ein, Penthesilea liegt oben, steigt während des Monologs hinunter, verkriecht sich zeitweise sogar darunter, wird von ihrer Schuld erdrückt. Renate Behle gestaltet diese hochdramatische Musik mit ebensolcher Kraft in Stimme und Ausdruck. Grandios.
Das Inszenierungsteam verstand es, die drei unterschiedlichen Psychogramme klug zu verbinden, die tiefen Einblicke in die unterschiedlichen Seelenzustände zu gewähren, ohne dass sich die Zuschauer als Voyeure vorkommen mussten.
Fazit:
Mehr zeitgenössische Oper (mehr Rihm…) auf unseren Bühnen. Bitte !!!
Werk und Inhalt:
Wolfgang Rihm, der erfolgreiche Vielschreiber unter den zeitgenössischen Komponisten, der sich immer wieder mit starken literarischen Texten auseinandersetzt, sie in Verbindung mit seinen Kompositionen zu Neuem verschmilzt, hat für Basel drei seiner bestehenden Monodramen durch Zwischenspiele zu einer abendfüllenden Oper umgebaut.
Da ist die verlassenen Ariadne, welche sich nach dem Geliebten sehnt, Anita, die Frau, welche sich der Vergangenheit ihrer Familie nicht stellen will, während des Mauerfalls in den Zoo flüchtet, sich wollüstig nach einem Adler verzehrt und diesen schliesslich tötet und die Amazonenkönigin Penthesilea, welche den eigenen Geliebten in Stücke gerissen hat, weil sie sich verraten glaubte und sich nun selbst opfert. Liebe – Tod – Liebestod, diese Konstellation hat Rihm zu spannender, die Gefühlsregungen der Frauen bis in die Fasern auslotender Musik inspiriert.
„ … notiertes Seismogramm. So will Musik sein, zumindest die, die ich meine.“ (Wolfgang Rihm).
Für art-tv und oper-aktuell © Kaspar Sannemann, 26. September 2009