Konjunktur für eine Leiche. Die Ungeheuerlichkeit der alten Dame weist auf unsere heutige Welt hin, die uns so oft verstummen lässt. Friedrich Dürrenmatts Stück erlangt in dieser Inszenierung eine brisante Aktualität.
Theater Basel | Der Besuch der alten Dame
Jeder ist käuflich
Einmal mehr gelangt «Der Besuch der alten Dame» von Friedrich Dürrenmatt auf einen Theaterspielplan. Genau 59 Jahre nach der Erstaufführung und nach vermutlich tausend Inszenierungen und unzähligen Vorstellungen. Und dazu jetzt wieder in der Schweiz, im reichsten Land der Welt (Global Wealth Report, 2014). Keine noch so kleine Gemeinde hier darbt, stattdessen fliesst die Einkommenssteuer mancherorts in Strömen. Der Kapitalismus hat die westliche Welt im Griff, jeder ist käuflich, wozu Theater darüber verschwenden?
Dürrenmatts Welttheater
Dürrenmatt selbst schrieb am Ende seiner Theaterkarriere: «Das real existierende Welttheater hat mit seinen Paradoxien meine Bühnenwelt weit überholt.» Doch heute, knapp 25 Jahre nach Dürrenmatts «Abschied vom Theater», scheint es gerade sein Welttheater zu sein, das uns durch seine Verdichtung die Möglichkeit bietet, die Wirklichkeit überhaupt in Worte zu fassen. Die Geschichte der Claire Zachanassian, des Alfred Ill und aller Güllener ist unsere Geschichte, uns alle «machte die Welt zu einer Hure». Die Ungeheuerlichkeit der alten Dame steht stellvertretend für die Ungeheuerlichkeit einer Welt, die uns so oft verstummen lässt.
Ein Stück mit brisanter Aktualität
Der eher klassischen Spielplanposition mit dem Stück «Der Besuch der alten Dame» setzt Regisseur Florian Fiedler ein aussergewöhnliches Konzept entgegen, mit dem «die alte Dame» zu einer brisanten Aktualität gelangt. Der Kapitalismus hat die Welt schon längst im (Würge-)Griff, doch wie sehr sind wir bereit, uns «reinen Herzens» einer «mordkonformen Demokratie» hinzugeben? Und wer entscheidet es letztlich? Wenn Han recht hat und wir selbst unsere eigenen Herren und Knechte sind – wer ist dann die alte Dame?