Noch bis am 21. September 2025 gastiert die englischsprachige Original-Produktion in der Limmatstadt. Mit ihrem magischen Charme begeistern die einmaligen Katzencharaktere einmal mehr Gross und Klein. arttv.ch-Musicalexperte Alain Ziehbrunner hat für uns die Produktion besucht. Für ihn ist klar: Die Homogenität der Leistungen – ob gesanglich, tänzerisch oder akrobatisch – besticht.
The Jellicle-Cats are back in town!
- Publiziert am 12. September 2025
Wer darf zum «Heaviside Layer» aufsteigen?
Die Geschichte ist kurz erzählt: Einmal jedes Jahr kommt auf einer Londoner Müllkippe eine grosse Katzenschar zusammen, um den Jellicle Ball zu feiern. Bei diesem soll eine Katze oder ein Kater auserkoren werden, um in eine Art Tierhimmel oder sphärischen Raum, aufzusteigen, um wiedergeboren zu werden. Nacheinander stellen sich diverse Anwärter und Anwärterinnen auf diese Ehre mit ihrer Geschichte vor. Während des Abends taucht auch Grisabella auf, eine vereinsamte und ausgeschlossene ehemalige Glamour-Katze. Sie wird anfänglich verjagt, kann aber ihr trauriges Schicksal doch noch kundtun. Old Deuteronomy, der weise, gütige und sehr alte Anführer der Jellicles, trifft schliesslich die erwartete Entscheidung. So geht der Ball mit einer erwählten Katze und einer Rede an alle Zuschauenden zu Ende.
So simpel die Geschichte auch ist – sie ist schliesslich für Kinder geschrieben worden –, so bezaubernd ist das Musical, das nun schon seit Jahrzehnten die Zuschauenden in seinen Bann zieht!
Von der Gedichtesammlung zum Welterfolg
Als der Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger T. S. Eliot 1939 sein Werk «Old Possum’s Book of Practical Cats» herausbrachte, konnte er nicht ahnen, welche Popularität und in welcher Form seine Gedichtesammlung erlangen würde. Ab 1977 vertonte Andrew Lloyd Webber seine Gedichte, hatte aber nicht vor, daraus ein Musical zu schaffen. Vielmehr sollte eine Sammlung von Stücken entstehen, die auch für das Fernsehen geeignet wäre. Er führte deshalb einige Kompositionen probehalber bei einem Sommer-Festival auf. Valerie Eliot, die Witwe des Schriftstellers, besuchte dieses Festival und brachte unveröffentlichte Gedichte ihres Mannes mit, die dieser nicht in sein Buch aufgenommen hatte. Dazu gehörte «Grizabella, the glamour cat», also die vereinsamte und ausgeschlossene ehemalige Glamour-Katze. Nach Webbers Angaben brachte ihn dieses Gedicht auf die Idee, dem ganzen Werk eine durchgehende Handlung zu unterlegen – die es bei Eliot nicht gab – und ein Musical daraus zu machen, in dem Grizabella die Hauptrolle spielen würde.
Der Dramaturg und Regisseur Trevor Nunn entwickelte ein Konzept, das Eliots Sprachgenie würdigt und gleichzeitig auf der Bühne funktioniert. Passend dazu komponierte Andrew Lloyd Webber sein musikalisches Meisterwerk – ein Genre-Mix mit einzigartigen Melodien, die längst selbst zu Klassikern geworden sind. Gillian Lynnes bahnbrechende Choreografien und die charakteristischen Kostüme von John Napier, der auch das eindrucksvolle Bühnenbild schuf, komplettieren das Gesamtkunstwerk.
Mit der Uraufführung im Jahr 1981 revolutionierte «CATS» die Musicalwelt nachhaltig. Rund um den Globus brachen die «Jellicle-Katzen» sämtliche Rekorde und mehr als 90 Millionen Zuschauer:innen in über 30 Ländern waren begeistert. Auch über vierzig Jahre nach der Premiere im Londoner West End haben die Katzencharaktere – vom durchtriebenen Macavity über den Zauberkater Mistoffelees und der schneeweisse, unschuldige Victoria bis hin zum unwiderstehlichen Draufgänger Rum Tum Tugger – nichts von ihrer Faszination eingebüsst!
Was für eine Premiere!
Erst sind da nur leuchtende Augen. Hier ist ein Schnurren, da ein leises Fauchen zu hören. Im silbrigen Licht des Vollmondes einer sternenklaren Nacht verwandelt sich ein Londoner Schrottplatz zum Ballsaal der Jellicle-Cats – in England kindersprachlich abgeleitet von «dear little cats». Wir würden wohl einfach Miezekatzen sagen.
Mit anspruchsvollen, teils akrobatischen Choreografien, die in grosser Perfektion die Bühne erfüllen, sind die Blicke der Zuschauenden ab der ersten Nummer gefesselt. Es fällt leicht in diese – uns sonst verschlossene – Welt einzutauchen und zu erkennen, wie ähnlich die Charaktere uns Menschen sind. Und doch bleiben die Darsteller:innen in jedem Moment Katzen! Die geschmeidigen Bewegungen, die individuell geschminkten Katzengesichter, die teils hautengen, detailreichen Kostüme sowie die Mimik und Gestik der Akteur:innen erzeugen diese einmalige Illusion für die «CATS» berühmt ist.
Die diesjährige Produktion ist authentisch, wurde aber auch aufgefrischt. Das Bühnenbild geht über den Bühnenrand hinaus, so dass man sich als Schaulustige beim Treiben der Katzen auf der Müllhalde wähnt.
Chrissie Cartwright, die in der aktuellen Produktion verantwortlich für Regie und Choreografie zeichnet, wurde bereits 1986 Assistentin der legendären Originalchoreografin Gillian Lynne und ist seit über 30 Jahren für die weltweite Einstudierung von «CATS» verantwortlich. Dank der langen Erfahrung und einem wachen Geist, der neue Zuschauererwartungen wahrnimmt und diese geschickt, in Bestehendem verwoben, befriedigt, hat sie eine Meisterleistung vollbracht!
Das Licht wird geschickt eingesetzt, um Emotionen zu verstärken und das Katzenhafte der Schauspieler:innen zu betonen. Besonders der Lichttechnik ist daher ein besonderes Lob auszusprechen: Die Verantwortlichen haben einen ausgezeichneten Job geleistet!
Für einmal soll niemanden hervorgehoben werden, um die Gesamtleistung des Casts gebührend zu würdigen. Natürlich gibt es grössere und kleinere Rollen und – je nach Vorliebe – wird der eine oder andere Charakter besonders in Erinnerung bleiben.
Die Homogenität der Leistungen – ob gesanglich, tänzerisch oder akrobatisch – besticht. Das Zusammenspiel und die Perfektion aller Beteiligten sind einfach wunderbar! Wenn sich die Truppe durch das Publikum bewegt und Kontakt mit diesem aufnimmt oder in der eigenen Katzenwelt eingetaucht agiert, ist jeder und jede Darsteller:in auf die eigene Art und Weise einfach grossartig!
Für dieses herzerwärmende Erlebnis sei an dieses Stelle ein grosser Dank ausgesprochen.
Am Ende eines solchen Abend bleibt viel mehr, als nur der Mega-Musical-Hit «Memories»!


