Wie ein Zirkusdirektor setzt Mephisto immer neue Welten in Szene, um Faust zu verführen und ihn zu seinem Leibeigenen zu machen. Mit der Stiftskirche St.Gallen als Kulisse entfalten die Bilder ihre ganze Kraft.
St.Galler Festspiele | La damnation de Faust
«O Erde, die für alle blüht, nur nicht für mich!»
Beim Sonnenaufgang preist Faust die Schönheit des anbrechenden Frühlings und den Frieden der Natur. Als er später in seiner Studierstube von Trübsinn gepackt wird, erscheint Méphistophélès, der ihm die Erfüllung aller seiner Wünsche verspricht. Faust folgt ihm und findet in Marguerites Liebe das höchste Glück. Um ihr Leben zu retten, verschreibt sich Faust seinem dämonischen Begleiter. Méphistophélès und Faust fahren zur Hölle, während Marguerites Seele in den Himmel aufgenommen wird.
Berlioz, der faszinierende Beherrscher des grossen Chor- und Orchesterapparats, evoziert in den grossen Volksszenen, im Tanz der Irrlichter, im Pandämonium des Höllenritts sowie im Gesang der Seraphim ein Tongemälde, das die Gattungsgrenzen sprengt und in der Aufführung auf dem Klosterhof seine ganze visionäre Kraft entfaltet.
Kritik
Mit Einbruch der Dunkelheit enthüllt das diabolische Variété des Méphistophélès, in welches uns Regisseur Carlos Wagner – mit den stimmigen, phantasievollen Kostümen von Ariane Isabell Unfried – führt, seine unheimliche Magie, entfalten die bezwingenden Lichteffekte von Guido Petzold ihre mirakulösen Effekte. Was sich dann auf dem Platz vor der barocken Fassade der Klosterkirche abspielt, ist von ungemein suggestiver, fesselnder Kraft. Gilles Ragons Stimme wird den hohen Anforderungen, welche die immense Partie stellt, voll gerecht. Er vermag die Gebrochenheit dieses Mannes darzustellen, setzt sein schönes Timbre mit Eleganz und Geschmeidigkeit der Phrasierung ein, glänzt mit Höhensicherheit, und in der Beschwörung der Natur besticht er durch die ausdrucksstarke Kraft seiner Stimme. Mirco Palazzi ist ein herrlich einnehmend teuflischer Zirkusdirektor, welcher seine manipulativen Künste durch stimmliche Souplesse und raffiniertes Spiel einzusetzen weiss. Elena Maximova darf (leider, aber daran ist Berlioz schuld …) erst nach der Pause singen – doch was man in den beiden grossen Arien (Autrefois un roi de Thulé und D’amour l’ardente flamme) von ihr hört ist schlicht grandios. Ausführliche Kritik und Hintergründe auf «Oper-aktuell»
Kaspar Sannemann