Bist du mein Vater? Bin ich dein Vater – ja oder nein? Der altbekannte Zweifel der Vaterschaft kann heute dank Gentests ausgeräumt werden. Welche Abgründe sich erschliessen ab Zeitpunkt der Gewissheit, erzählt Bärfuss in “Die Probe” auf eindringliche Weise.
Stadttheater Bern | Die Probe
Ein Gentest bestätigt es unwiderlegbar: Peter ist nicht der Vater des Säuglings, den er für seinen Sohn hält. Mit dem Brief des Labors in Händen ist für ihn der nagende Zweifel bestätigt, zugleich aber stürzt seine heile Welt ein. Das Kind, eben noch der Mittelpunkt seiner bürgerlichen Existenz, wird zum Bastard, die Ehefrau zur Betrügerin, der mittelständische Wohlstand zur Fassade. Den Menschen, denen gerade noch seine ganze Liebe galt, gilt nun sein ganzer Hass.
Das Streben nach der letzten, unbezweifelbaren Erkenntnis war immer eine der Triebfedern der Moderne. Ein Gentest liefert zwar unanfechtbare Resultate; die nackte und kalte Wahrheit bringt aber auch emotionale Belastungen mit sich, denen der Mensch kaum gewachsen ist.
Lukas Bärfuss konfrontiert in „Die Probe“ die Faktizität der Wissenschaft mit dem Wertesystem der Familie. Liebe und Vertrauen – die Kräfte, welche die Familie im Innersten zusammenhalten – verlieren angesichts der absoluten Wahrheit an Bedeutung. Und doch wirken die irrationalen Kräfte der Blutsbande stärker als die rationaler Wahlverwandtschaften.