Barbara Frey, die damit zum sechsten Mal Shakespeare inszeniert, wird darin der Präsenz des Abwesenden nachgehen. Ebenfalls in der Spielzeit 18/19 ist eine Inszenierung von Werner Düggelin zu sehen. Seine Version von Büchners «Lenz» ist die inzwischen 55. Produktion des Theaterdoyens für das Zürcher Theaterhaus. Goethes «Wahlverwandtschaften» der Regisseurin Felicitas Brucker werden den Eröffnungsreigen abschliessen.
Schauspielhaus Zürich | Spielplan 2018/19
- Publiziert am 14. Juni 2018
Mit Shakespeares «Hamlet» eröffnet Barbara Frey am 13. September 2018 im Pfauen ihre zehnte und letzte Spielzeit als Schauspielhaus-Intendantin.
URAUFFÜHRUNGEN/ERSTAUFFÜHRUNGEN
„Eine Version der Geschichte“ von Simone Kucher ist eines der Gewinnerstücke der Autorentheatertage Berlin 2018, wo es in der Regie von Marco Milling am 22. Juni 2018 zur Uraufführung kommen wird. In Zürich wird die Inszenierung ab Anfang Oktober in der Kammer zu sehen sein.
Am Schauspielhaus Zürich entwickelte René Pollesch seit Beginn der Intendanz von Barbara Frey 2009 (fast) jährlich eine Uraufführung – und wird dies auch 2018/19 mit „Ich weiss nicht, was ein Ort ist, ich ken- ne nur seinen Preis“ (Premiere 14. Dezember 2018, Pfauen) fortsetzen.
Ruedi Häusermanns Arbeiten sind künstlerische Forschungsreisen zwischen Theater und Konzert. Auf gezielten Umwegen wird das Unscheinbare, das Unspektakuläre in diesen zarten und komischen Arbeiten unter die Lupe genommen. Seine neuste Kreation, die „musiktheatralische Zusammenkunft“ mit dem Titel „Man bittet um schonendes Anhalten“, wird im Januar 2019 in der Box zur Uraufführung gelangen.
Nach der Entdeckung der Grimm`schen Märchenwelt 2017, mit der er zum Schweizer Theatertreffen 2018 eingeladen wurde, begibt sich Herbert Fritsch mit „Totart Tatort“ (Uraufführung im Februar 2019, Pfauen) auf eine kriminologische Spurensuche nach einem vermeintlichen Täter und entfesselt dabei ein Panoptikum an detektivischem Wahnwitz.
Nino Haratischwili, geboren 1983 im georgischen Tiflis, ist preisgekrönte Theaterautorin und Regisseurin. Ihr Stück „Die zweite Frau“ wird im März 2019 in der Regie des jungen Regisseurs Maximilian Enderle als Schweizer Erstaufführung in der Kammer zu erleben sein.
In seiner Novelle „Die Verlobung in St. Domingo“ (1811) macht Heinrich von Kleist klare Fronten auf: Weiss gegen Schwarz, Gut gegen Böse, Ordnung gegen Anarchie. Doch wie entwickelt sich die Geschichte, wenn die Guten doch nicht so gut und die Bösen nicht so böse sind? In seiner „Überschreibung“, die im April 2019 in der Regie von Sebastian Nübling als Koproduktion mit dem Maxim-Gorki-Theater Berlin im Pfauen uraufgeführt wird, attackiert Necati Öziri das vermeintlich Eindeutige und lässt alle Figuren zu ihrem Recht kommen.
Fast 80 Jahre nach der englischen Erstveröffentlichung erscheint „The Man Who Took Trains“ des deutsch-jüdischen Autors Ulrich Alexander Boschwitz 2018 auf Deutsch – und wird zum Bestseller. Der 1915 in Berlin geborene Kaufmannssohn hat den Roman im Alter von 23 Jahren, wenige Jahre vor seinem Tod, unter dem Eindruck der Novemberpogrome wie im Fieberrausch geschrieben. In der Regie von Manon Pfrunder wird „Der Reisende“ im Mai 2019 in der Kammer uraufgeführt.
James Joyce schrieb die Erzählung „The Dead“ 1907 im Alter von 25 Jahren; die metaphysische Erzählung bildet den Schwerpunkt seines Prosawerks „Dubliner“. „Die Toten“ enthält autobiografische Bezüge und steht thematisch in Beziehung zu seinen späteren bedeutenden Romanen „Ulysses“ und „Finnegans Wake“. In der Regie von Barbara Frey werden „Die Toten“ im Mai 2019 als Deutschsprachige Erstaufführung im Pfauen zu sehen sein.
WEITERE PREMIEREN
Der Dramatiker Tennessee Williams, 1911 in Mississippi geboren, schrieb „Endstation Sehnsucht“ unter dem Eindruck einer neu aufsteigenden Arbeiterklasse, die dem verfallenden Südstaatenadel den Rang ablief. Das kulturkritische Stück, das 1949 am Schauspielhaus Zürich seine deutschsprachige Erstaufführung erlebte, war einer der grössten Erfolge des Autors und wird ab dem 20. Oktober 2018 in der Regie von Bastian Kraft im Pfauen zu sehen sein.
Der Regisseur Timofej Kuljabin, einer der talentiertesten Vertreter einer jungen Generation russischer Theatermacher, wählt für seinen Regiezugriff häufig Texte aus dem klassischen Repertoire, um auf diese einen neuen Blick zu eröffnen. In seiner Inszenierung von Ibsens „Nora oder Ein Puppenhaus“, die am 16. November 2018 in der Box Premiere feiern wird, werden die Figuren fast ausschliesslich per Handy, Tablet und Computer kommunizieren, ganz so wie es unserem gegenwärtigen Alltag der polyphonen Kommunikation entspricht.
Mit „44 Harmonies from Apartment House 1776“ kehren Christoph Marthaler und Anna Viebrock nach fast 15 Jahren ab dem 6. Dezember erstmals wieder in die Schiffbauhalle zurück. John Cage wählte den Titel für eine Komposition, die von der Gleichzeitigkeit sehr verschiedener musikalischer Räume handelt sowie von heftigen Auflösungserscheinungen hinsichtlich der Wahrnehmung von Raum und Zeit. Dies bedenkend erschliesst sich die grosse Vorfreude, mit der Marthaler und seine Ensemblemitglieder dem Betreten der frei schwebenden Klanglandschaften des amerikanischen Komponisten entgegensehen.
200 Jahre nach seiner Veröffentlichung beschreibt Mary Shelleys Schauerroman „Frankenstein“ immer noch messerscharf den Moment eines albtraumhaften Kontrollverlustes. Wissensdurst, Kreativität und die Vision einer besseren Welt kippen in nicht mehr steuerbare Gewalt und Zerstörung. Regisseur Stefan Pucher nähert sich dem Stoff in „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ ab dem 10. Januar 2019 im Pfauen vor dem Hintergrund der heutigen wissenschaftlichen Schöpfungen.
Der vielfach ausgezeichnete Autor Thomas Melle entlarvt in seinem Stück „Versetzung“, das ab Januar 2019 in der Regie von Clara Isabelle Dobbertin in der Kammer zu sehen sein wird, unlösbare Paradoxien unseres demokratischen Zusammenlebens: Wie kann ein Mensch Vorbild sein, wenn ihm keine menschlichen Makel zugestanden werden? Wie soll eine Gesellschaft gesunde Menschen hervorbringen, wenn sie die Auseinandersetzung mit Krankheit aus ihrem Zentrum verbannt?
Frank Castorfs 25-jährige Intendanz an der Volksbühne am Rosa- Luxemburg-Platz Berlin hat das deutschsprachige Theater im letzten Vierteljahrhundert fundamental geprägt. In Zürich hat der vielfach ausgezeichnete Regisseur zuletzt „Die fremde Frau und der Mann unter dem Bett“ nach F. M. Dostojewski inszeniert. In seiner sechsten Inszenierung am Schauspielhaus wird sich Castorf ab April 2019 im Pfauen zum ersten Mal mit dem Autor Friedrich Dürrenmatt und dessen Roman „Justiz“ auseinandersetzen.
Basierend auf Motiven von Thomas Manns Roman „Der Zauberberg“ entwickelt Karin Henkel mit „Die grosse Gereiztheit“ ihre mittlerweile vierte Produktion in der Schiffbauhalle. Mit „Elektra“ (2013), „Die zehn Gebote“ (2016) und „BEUTE FRAUEN KRIEG“ (eingeladen zum Berliner Theatertreffen 2018) schuf die Regisseurin hier bereits aufsehenerregende Theatererzählungen, die Narrationen, Bühnenräume und Zuschauerperspektiven in ungewohnte Spannungsverhältnisse setzten.
FAMILIENSTÜCK IM PFAUEN „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ ist eines der letzten grossen Werke des Autors Michael Ende, der so bekannte Kinderbuchklassiker wie „Die unendliche Geschichte“ oder „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ schuf. Es handelt sich gleichzeitig um seinen vielleicht dramatischsten und komödiantischsten Stoff, mit schrillen Charakteren und einem rasanten Plot, der ab dem 10. November in der Regie von Christina Rast als Familienstück im Pfauen zu erleben sein wird.
GASTSPIELE
Auch in der kommenden Spielzeit werden wieder herausragende Gastspiele am Schauspielhaus zu sehen sein: So gastiert das Burgtheater Wien im November mit Jan Bosses zum Theatertreffen 2018 eingeladener Inszenierung „Die Welt im Rücken“ von Thomas Melle mit Joachim Meyerhoff, der dafür von der Fachzeitschrift „Theater heute“ zum „Schauspieler des Jahres“ gewählt wurde, im Pfauen.
David Foster Wallaces 1500-seitiger Roman „Unendlicher Spass“ erzählt davon, wie es sich anfühlt, heute zu leben, von Geburten, Todeskämpfen, übertriebenem Speichelfluss, bildschönen Krankenschwestern und Vögeln, die mitten im Flug einen Herzinfarkt erleiden. Mit einem fantastischen Schauspielensemble (Jasna Fritzi Bauer, Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi, Heiko Pinkowski, Devid Striesow) wird Thorsten Lensings Inszenierung des Stoffes am 12. und 13. Januar 2019 in der Box zu sehen sein.
Zudem gastiert am 7. und 8. März 2019 das Teatr Krasnyi Fackel aus Nowosibirsk mit der Tschechow-Bearbeitung „Drei Schwestern“ von Regisseur Timofej Kuljabin, der den weltbekannten Theaterklassiker in russischer Gebärdensprache inszeniert, in der Schiffbauhalle. Die Gesten und der nonverbale Ausdruck der SchauspielerInnen werden dabei zum tragenden Element des Abends.
JUNGES SCHAUSPIELHAUS
Im letzten Monat des Jahres verwandelt sich die Matchbox in die „Casa 18“. Sie beherbergt dann skurrile Dauergäste – GedankensammlerInnen, GrenzgängerInnen und GlücksjägerInnen lassen Gegenwelten entstehen. Es werden Anfänge geschmiedet und das Wesen der Dinge mit einem Augenzwinkern hinterfragt. Die Ausstatterin Cornelia Koch („Shut up“, „Weihnachtssalon“) und der Regisseur Enrico Beeler lassen in der Matchbox u.a. mit Texten von Jürg Schubiger einen eigen- willigen, poetisch-philosophischen Kosmos – einen Ort zum Verweilen, Auftanken und Geniessen entstehen.
Dem jungen Publikum eine Stimme geben – auf der Bühne und in der Stadt: In Zusammenarbeit mit dem Jungen Literaturlabor, JULL schreiben Kinder und Jugendliche verschiedener Schulhäuser Texte und werden dabei von professionellen AutorInnen begleitet. Theaterschaffende set- zen diese szenisch um. Daraus entstehen drei „Apropos…“-Produktionen, die im Januar, Februar und Mai öffentlich präsentiert werden. Der Choreograf und Breakdancer Buz („Shut up“, „MEET ME“) erarbeitet mit Jugendlichen eine choreografierte Umsetzung im Tanzhaus. Der Hausregisseur Enrico Beeler bringt mit SchauspielerInnen Texte für ein jüngeres Publikum szenisch in die Matchbox und Daniel Kuschewski („Räuber“, „Du, Du und ich“) bespielt mit SchauspielerInnen einen externen Ort. Aus dem Repertoire des Jungen Schauspielhauses werden die Produktionen: „Der Josa mit der Zauberfiedel“, „King A“, „Liebe Grüsse… oder Wohin das Leben fällt“, „MEET ME“, „Nachspielzeit“, „Räuber“, „Shut up“ sowie das Theater im Klassenzimmer-Stück „Malala – Mädchen mit Buch“ wieder zu erleben sein.
MEHR ALS ZUSCHAUEN
Eine Inszenierung bis zur Premiere begleiten, KünstlerInnen treffen, hinter die Kulissen schauen, sich mit Inhalten und Formen von Theater auseinandersetzen, Mitarbeitende und ihre Arbeitsfelder kennenlernen, selbst Theater spielen – das und vieles mehr ermöglichen die „Mehr als Zuschauen“-Angebote, die den Spielplan begleiten. Für alle Altersgruppen.
EXTRAS
Vier renommierte Zürcher Literaturexpertinnen stellen im Li- teratursalon „Fluchtpunkt Schweiz“ das Leben und Schreiben von Persönlichkeiten vor, für die die Schweiz, Zürich und das Schauspielhaus wichtige Anlaufpunkte waren: Die Literaturkritikerin Beatrice von Matt berichtet anhand eines bisher unbeachteten, formal kühnen Textes von Else Lasker-Schüler (1869–1945) über deren Zürcher Emigration. Die Germanistin Ursula Amrein erinnert an die Familie Mann und ihre Zürcher Exiljahre in den 1930er Jahren. Die Anglistin Elisabeth Bronfen beleuchtet die Schriftstellerin Mary Shelley, die vor 200 Jahren in der Nähe des Genfersees mit „Frankenstein“ einen der bedeutendsten Schauerromane der Weltliteratur schrieb. Die Autorin Eveline Hasler stellt schliesslich das Wirken des Schauspielers, Regisseurs und Autors Wolfgang Langhoff (1901–1966) am Schauspielhaus Zürich vor.
Als prominente Gesprächsleiter haben die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel, der Autor Lukas Bärfuss und der Philosoph Stefan Zweifel in der aktuellen Spielzeit die Gesprächsreihe „Zürcher Gespräche“ im Pfauen geprägt. Die Reihe wird auch in der kommenden Spielzeit fortgesetzt – eröffnet im September von Lukas Bärfuss und dem Soziologen und Anarchisten David Graeber, der mit seinem Buch „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ weltweit bekannt wurde. Weitere Gäste und Termine werden im Laufe der Saison bekannt gegeben.
Anfang 2018 sollte ein Debattier-Marathon im Schiffbau die Streitlust in der Zwinglistadt entfachen. Die an die „Disputationes“ von 1523 angelehnte Veranstaltung namens „Meet Your Enemy“ im Rahmen von ZH- REFORMATION.CH sah vor, das Publikum zum Akteur zu machen und in freiwillige Streitgespräche zu verwickeln. Aber die Zürcher wollten nicht streiten, die Veranstaltung wurde abgesagt. Nun wagen wir zusammen mit dem Social Muscle Club einen neuen Versuch – am 5. und 6. Oktober im Schiffbau.
ENSEMBLE
Die SchauspielerInnen Hilke Altefrohne und Milian Zerzawy sowie Sarah Gailer und Robert Rožić, Studierende des Schauspielstudios, verlassen im Sommer das Schauspielhaus. Zudem wurde Siggi Schwientek im Laufe dieser Spielzeit pensioniert, bleibt dem Schauspielhaus aber als Gast erhalten. Neu ins Ensemble kommen Inga Busch, Jan Bülow und Vera Flück. Im Rahmen des Schauspielstudios erhalten zudem die beiden Schauspielstudierenden Katrija Lehmann und Dominic Hartmann für eine Spielzeit die Möglichkeit, praktische Bühnenerfahrung zu sammeln.