Dritter Teil des Mammutwerks von Richard Wagner. Inszenierung Robert Wilson, am Pult der junge Schweizer Pultstar Philippe Jordan! Ein Ereignis der Spitzenklasse!
Opernhaus Zürich | Siegfried
- Publiziert am 7. März 2009
Kritik:
Das Wunder dieser Wiederaufnahme von Wagners Tetralogie DER RING DES NIBELUNGEN im Opernhaus Zürich hat einen Namen: Philippe Jordan! Dies lässt sich bereits nach dem dritten Abend sagen. Sein Dirigat und das hervorragend aufspielende Orchester der Oper Zürich beglücken das Publikum und ziehen es in einen fünfstündigen Bann. Der junge Dirigent lotet die Partitur aufs Genaueste aus, mit nie nachlassender Spannung werden die Bögen gezogen, die Motive herausgearbeitet und wieder miteinander verschmolzen; da werden dynamische Steigerungen von ungeheurem Ausmass laut, aber auch intime und humoreske Momente erhalten die notwendige Aufmerksamkeit. Die vertrackten Temporückungen des Werks hat er wie von Zauberhand geleitet im Griff, wenn es nötig ist, scheut er auch das peitschende Vorwärtsdrängen nicht und fordert damit natürlich auch die Sängerinnen und Sänger aufs Äusserste, aber nicht darüber hinaus!
Dass diese den horrenden Anforderungen gewachsen sind, ist ein weiterer Glücksfall dieser Wagner Abende. Scott MacAllister ist ein strahlender, kraftstrotzender und ausdrucksstarker Siegfried. Sein angenehm heller, kräftiger Tenor zeigt auch nach fünf Stunden praktisch ständiger Bühnenpräsenz keine Ermüdungserscheinungen, ja er vermag sogar in der Schlussszene mit der in enormer Lautstärke jubelnden Brünnhilde von Eva Johansson problemlos mitzuhalten. An ihr bewundert man das schier grenzenlose Stimmvolumen – und fragt sich doch, wie lange das noch gut gehen wird. In den leiseren Passagen wird ihre Stimme leicht brüchig, da geht die Strahlkraft leider schnell verloren. Diese kleine Einschränkung soll jedoch ihre imposante Leistung als hochdramatischer Sopran nicht schmälern.
Volker Vogel ist ein geradezu hinreissender Mime. Er hat sich komplett mit der Konzeption des Regisseurs Wilson identifiziert – seine Bewegungen, seine Mimik und vor allem seine stimmliche Gestaltungskraft lassen diese Interpretation zu einem Ereignis werden! Man ist versucht zu sagen: Besser kann man das gar nicht machen!
Egils Silins singt einen beeindruckenden Wanderer, von der souveränen Autorität im ersten bis zu seinen Zweifeln im Dialog mit Erda und seinem Scheitern am rotznasigen Helden Siegfried im dritten Akt. Die Wärme seiner Stimme, gepaart mit einer hervorragenden Diktion, setzen dem Abend einen weiteren Glanzpunkt auf. In den kleineren Partien kann Zürich mit grossen Namen aufwarten: Matti Salminen gibt einen stimmgewaltigen, sonoren Fafner, Rolf Haunstein ist hervorragend als neidischer, gieriger Nachtalbe Alberich; die kurzfristig eingesprungene Birgit Remmert überzeugt mit weichen, dunkel und samtig dahinfliessenden Klängen als Erda und Sen Guos Sopran (Waldvögelein) leuchtet hell von der Decke in den Saal.
Die Inszenierung und die Lichtgestaltung von Robert Wilson bewähren sich auch im SIEGFRIED. Wunderbar geheimnisvolle, atmosphärische Stimmungen korrespondieren perfekt mit der Musik – ein echter Genuss!
Fazit:
Wer jetzt noch keine Karten für den RING im Opernhaus Zürich hat, soll sich schleunigst drum bemühen! Diese Aufführungen darf sich kein Wagner Fan – oder einer der es werden will – entgehen lassen!
Inhalt des zweiten Tages:
Der Wälsungenspross Siegfried (Sohn der Geschwister Sieglinde und Siegmund, siehe Walküre) wächst beim Zwerg Mime auf. Dieser will sich Siegfrieds Kraft zunutze machen, um das zerbrochene Schwert Notung wieder neu zu schmieden. Siegfried gelingt dies. Damit tötet er den Riesen Fafner, der sich in einen fürchterlichen Drachen verwandelt hat und den Ring des Nibelungen Alberich hütet. Siegfried bemächtigt sich des Rings und des Tarnhelms, trinkt das Blut des Drachen, wird dadurch hellhörig und versteht nun die Falschheit seines Ziehvaters Mime. Er streckt den Zwerg nieder und schlägt auch dessen Bruder Alberich aus dem Feld, der ebenfalls scharf auf den mächtigen Ring ist. Göttervater Wotan (der Wanderer) hat eben vergeblich Urmutter Erda um Rat gefragt, wie seine Machtsphäre noch zu retten sei. Das Waldvögelein führt Siegfried zur schlafenden Brünnhilde. Wotan versucht noch, Siegfried den Zutritt zum Walkürenfelsen zu verwehren. Vergeblich: Der junge Held zerschlägt den Speer des Göttervaters, bricht damit dessen Macht und erweckt Wotans Tochter Brünnhilde, die den strahlenden Helden jubelnd begrüsst.
Das Werk:
Wagner begann bereits 1856 mit der Komposition des SIEGFRIED, brach aber 1857 die Arbeit im 2. Akt ab (er beschäftigte sich zwischenzeitlich mit TRISTAN UND ISOLDE und den MEISTERSINGERN). Er nahm die Komposition erst 1869 wieder auf und vollendete die Partitur 1871.
Bis zum erlösenden, strahlenden C-Dur Finale des dritten Aktes verwendet Richard Wagner in den ersten beiden Akten eher die düsteren Farben des Orchesters. Besonders die starke Präsenz der Bratschen im ersten Akt ist bemerkenswert. Sie charakterisieren die Heimtücke des Mime. Immer wieder erklingt mit den Tuben das schwarze, bedrohliche Motiv des Drachen Fafner, bevor die Hörner dann den Helden Siegfried feiern. Daneben entbehrt jedoch der erste Akt mit dem rotznasigen jungen Siegfried und dem von Falschheit nur so strotzenden Mime nicht einer gewissen Komik.
Wagners orchestrale Instrumentierungs- und Charakterisierungskunst ist in diesem Werk – trotz eines zehnjährigen Kompositionsunterbruchs – auf dem Höhepunkt angelangt. Das Vorspiel zum dritten Akt verwebt äusserst kunstvoll die vielschichtigen Leitmotive.
siehe auch
Musikalische Höhepunkte:
Notung! Notung! Neidliches Schwert, Siegfried, Akt I
Dich holdes Vöglein, Siegfried, Akt II (Waldweben)
Wohin schleichst du?, Alberich-Mime, Akt II
Vorspiel Akt III
Wache, Wala! Wala erwach!, Wanderer-Erda, Akt III
Selige Öde auf sonniger Höh’, Siegfried Akt III
Heil dir Sonne, heil dir Licht, Brünnhilde Akt III
Ewig war ich, ewig bin ich, Brünnhilde Akt III
Für art-tv: © Kaspar Sannemann, 9. März 2009