Ein Flop! Verdis TROVATORE erstarrt in Zürich im Nebel des Grauens…
Opernhaus Zürich | Il Trovatore
- Publiziert am 1. Dezember 2007
Kritik: (SK)
Das Opernhaus Zürich hat kein glückliches Händchen mit seinen Inszenierungen des TROVATORE – davon zeugte gestern Abend die vehemente Ablehnung, die der Aufführung durch das Premierenpublikum zuteil wurde. Einen solchen Buhsturm erlebte schon lange keine Premiere mehr. Nach der paramilitärisch angehauchten Version von Daniel Schmid (90er Jahre) und der verstaubten Inszenierung von Por´Alli (80er Jahre) nun wieder ein Flop. Man sehnt sich fast nach Enriquez´ abstrahierender Inszenierung aus den 70er Jahren an diesem Haus zurück…
Dabei klang das Konzept Giancarlo del Monacos eigentlich schlüssig: Das erste Bild liess er in grauer Vorzeit spielen, die folgenden Bilder dann in der Gegenwart. Die Bühne, die ihm Peter Sykora dafür gebaut hatte, blieb beinahe den ganzen Abend über leer, mit Ausnahme weniger Raumteiler: Mal eine Kanalisationsröhre, in welcher sich die Zigeuner versteckten, mal eine Strassenlaterne, ein eisernes Klostertor, Jalousien und eine schwarz geflieste Wand mit Fleischerhaken für das Schlussbild. Diese Leere der Bühne hätte umso mehr eine intensive Personenregie erfordert und gerade die vermisste man an diesem Abend schmerzlich. Hilfloses Gefuchtel mit Messern, statische Chorführung, Opernkonvention und unaufhörliche Trockeneisschwaden. Man fühlte sich in John Carpenters Horrorthriller „The Fog“ versetzt. Einzig die Kostüme waren überzeugend: Alle in Schwarz- und Grautönen, aus denen nur das knallrote Abendkleid Leonoras und die flammend roten Haare der Azucena heraus leuchteten.
Das Feuer, welches Verdi so unvergleichlich komponiert hatte, loderte auch nicht aus dem Orchestergraben. Adam Fischers Dirigat klang lust-, manchmal gar führungslos, so dass man glaubte, die Protagonisten gäben die Tempi vor, was zu wackligen Einsätzen und Koordinationsproblemen führte.
Caruso hat einmal gesagt, es sei ganz einfach, den TROVATORE zu besetzen, man müsse einfach die vier weltbesten Stimmen auf die Bühne bringen. Auf dem Papier las sich die Zürcher Neubesetzung nicht schlecht, doch die hohen Erwartungen wurden weit gehend enttäuscht. Cristina Gallardo-Domas begann mit flackerndem, unausgeglichenem Timbre, oft befürchtete man, ihre Stimme könnte wegbrechen. Sie fühlte sich gezwungen, übermässig zu forcieren, dadurch klang ihre Leonora über weite Strecken grell und hässlich. Keine leidenschaftlich liebende Frau. Ihre Kabaletta nach dem Miserere fiel leider Strichen zum Opfer. Nur in der Klosterszene und der Sterbeszene fand sie zu zarteren, reineren Klängen. Leo Nucci, bei allem Respekt vor seiner Lebensleistung, ist als Luna ebenfalls viel zu laut und zu eindimensional. Die baritonale Wärme fehlt ihm, der Lautstärkepegel reicht nur noch von forte zu fortissimo. Nach wie vor bewundernswert ist seine Atemtechnik. Ein überzeugender Darsteller war er in jugendlich feurigen Rollen eigentlich nie, auf der kahlen Bühne trat dieses Manko überdeutlich in Erscheinung. Blieben also von den Protagonisten noch Manrico und Azucena, um dem Abend wenigstens den stimmlichen Glanz zu verleihen, der die hohen Eintrittspreise rechtfertigen würde. Luciana D´Intino ist eine überrragende Zigeunerin, vom ersten Auftritt in der Kanalisation bis zu ihrem finalen „Sei vendicata, o madre“ im Folterkeller. Die enormen Ausdrucksmöglichkeiten, die dieser Ausnahmekünstlerin zur Verfügung stehen, vom zartesten Pianissimo der liebenden Mutter zum leidenschaftlichen Ausbruch der Rächerin, verdienen höchste Bewunderung. Auch Marcelo Álvarez bewältigt die schwierige Partie des Manrico grandios und souverän, die Stimme wird bruchlos geführt zum strahlenden hohen C in der Stretta (gekürzte Fassung). Die Szenen Azucena-Manrico wurden zu den Höhepunkten des ansonsten enttäuschenden Abends.
Auf der Negativseite findet sich leider auch Giuseppe Scorsins Ferrando, seine Stimme ist zu leicht und zu vibratoreich für diese Partie, das profunde, sonore Fundament ist nicht vorhanden. Kein Wunder, dass sich nach dem ersten Bild keine Hand zum Applaus rührte.
Auf eine rundum gelungene Verdi Aufführung muss man in Zürich weiterhin warten.
Fazit:
Leider ein enttäuschender Abend, über den man besser den Nebel (der auf der Bühne im Übermass vorhanden ist…)des Schweigens legt.
Nur die eindrückliche Luciana D´Intino und Verdis unvergängliche Melodien lohnen den Besuch!
Das Werk:
Düsteres Drama, voll feuriger Melodien. Verdi auf dem Höhepunkt seiner melodischen Einfälle und seiner eindrucksvollen musikalischen Charakterisierungskunst. Verdi spielte einmal mit dem Gedanken, die Oper AZUCENA zu nennen, auch in Erinnerung an seine im Kompositionsjahr verstorbenen Mutter.
Synopsis:
Immer wieder wird kolportiert, der Inhalt des TROUBADOURS sei nicht nacherzählbar. Doch eigentlich ist es ganz einfach, wenn man die Vorgeschichte kennt: Eine alte Zigeunerin wurde vom Vater des Grafen Luna auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aus Rache am Flammentod ihrer Mutter, raubt die Tochter (Azucena) ein Kind des Grafen und verbrennt es ebenfalls. Doch in ihrer Raserei hat sie ihren eigenen Sohn in die Flammen geworfen. 20 Jahre später verlieben sich Manrico (der vermeintliche Sohn von Azucena) und der junge Graf Luna in die selbe Frau (Leonora). Manrico und Azucena werden von Luna gefangen genommen. Um Manrico zu retten, willigt Leonora in die Heirat mit dem Grafen ein. Da sie ihn aber nicht liebt, vergiftet sie sich und stirbt in Manricos Armen. Luna sieht sich getäuscht und lässt Manrico hinrichten. Nun enthüllt Azucena die tragische Wahrheit: Es war dein Bruder! Du bist gerächt, oh Mutter!
Musikalische Höhepunkte:
“Tace la notte”, Arie der Leonora, 2. Bild
Zigeunerchor, 3. Bild
“Stride la vampa”, Arie der Azucena, 3. Bild
“Il balen del suo sorriso”, Arie des Luna, 4. Bild
“Di quella pira”, Szene des Manrico, 6. Bild, die gefürchtete Stretta…
“D´amor sull´ ali rosee”, Arie der Leonora, 7. Bild
“Madre, non dormi”, Finale, 8. Bild
Für art-tv: Kaspar Sannemann, 3. Dezember, 2007