Der moderne Veranstaltungsort der Universität St. Gallen präsentiert ein emotional aufgeladenes Duell, das bis heute nichts von seiner Brisanz verloren hat: «Oleanna». Geschrieben 1992, seziert David Mamet das explosive Machtverhältnis zwischen einer jungen Studentin und ihrem Professor.
«Oleanna – Ein Machtspiel» im SQUARE St. Gallen
Über das Stück
Die Studentin Carol sucht Unterstützung bei ihrem Professor John. Sie versteht sein Buch nicht – und er kann ihre Probleme nicht nachvollziehen. Dennoch bietet er ihr Hilfe an, weil er sie sympathisch findet. Die Machtverhältnisse scheinen klar verteilt: Auf der einen Seite der erfolgreiche Mann, kurz vor der Berufung zum Professor auf Lebenszeit und mitten im Kauf eines neuen Hauses; auf der anderen Seite die schüchterne, aber fleissige Studentin, die sich in der Sprache der Wissenschaft nicht zurechtfindet.
Das Gespräch beginnt distanziert, wird jedoch zunehmend intensiver. Die beiden diskutieren über das Wesen von Verständnis und Urteilsvermögen in der Gesellschaft – und über ihr eigenes Selbstbild sowie ihren Platz darin. Es scheint, als hätten sie einen Zugang zueinander gefunden. Doch dieser Schein trügt: Carol hat John wegen seines Verhaltens bei der Berufungskommission gemeldet. Das klärende Gespräch wird zum verbalen Zweikampf, in dem jedes Wort seziert und jede Bewegung interpretiert wird.
Darum ist «Oleanna» sehenswert
«Oleanna» ist weit mehr als nur ein Dialogstück; es ist ein nervenaufreibendes psychologisches Duell, das keine einfachen Antworten liefert. Die Inszenierung zwingt das Publikum, ständig die eigene Position zu überdenken: Wer lügt? Wer hat recht? Das Stück thematisiert die Diskrepanz zwischen Absicht und Wahrnehmung und zeigt, wie persönliche Missverständnisse durch die Dynamik von Machtstrukturen, Sprachbarrieren und #MeToo-Debatten zu einer unkontrollierbaren gesellschaftlichen Eskalation führen können.
(Textgrundlage: Pressetext)


