Einmal mehr lohnt sich die Reise nach Luzern. Verdis Meisterwerk in einer fulminanten Inszenierung
Luzern | Falstaff
- Publiziert am 11. November 2007
Kritik: (SK) Besuchte Aufführung: 10.November 2007
Wer beschwingtes, intelligentes Musiktheater abseits von verstaubten Konventionen mag, ist hier an der richtigen Adresse. Was das junge, spielfreudige Team um den Regisseur David Hermann aus der letzten Oper Verdis macht, ist alleweil sehens- und hörenswert. Trotz modernen Kostümen und des Fehlens von Postkarten-Windsor-Ansichten bleibt die Inszenierung sehr textgetreu und umwerfend lustig, ohne je billig oder beliebig zu wirken. Sie nimmt das Stück im besten Sinne des Wortes ernst, so ernst, dass es nicht ohne Tote abgeht. Aber auch dieser überraschende Schluss ist sinnfällig, denn am Ende der turbulenten Oper kann ausser dem Liebespaar Fenton/Nannetta (und in dieser Inszenierung auch dem schwulen Paar Cajus/Bardolfo!) niemand richtig glücklich sein.
Selbstverständlich kann man die sängerischen Leistungen nicht immer an denen eines grossen Hauses messen, aber die Darstellerinnen und Darsteller in Luzern schlagen sich beachtlich. Da ist in erster Linie Gregor Dalal in der Titelpartie zu nennen, ein Vollblut-Falstaff mit der richtigen Portion Selbstironie. Seine beiden Angebeteten sind Mechthild Bach (Alice) mit wunderbar aufblühendem Sopran und unglaublich intensivem Spiel und die attraktive, tragische Figur von Meg Page, dargestellt von Olga Privalova. Die Botin, Mrs. Quickly ist bei der attraktiven Mezzosopranistin Annerose Hummel bestens aufgehoben, kein Wunder, dass sich Falstaff am Ende eher ihr zuwendet! Den krankhaft eifersüchtigen Gatten Ford gibt Tobias Hächler mit wunderbar kernigem Bariton und einer atemberaubenden Darstellungkunst. Der Mann wird noch von sich hören lassen! Sumi Kittelberger singt die Nannetta mit zauberhaft sauberer Intonation, herrlich! Ihr Geliebter Fenton war an diesem Abend Tomasz Zagorski, der kurzfristig einspringen musste und sich beachtlich gut in das quirlige Geschehen einfügte. Das Dienerpaar Bardolfo (umwerfend im Schottenröckchen Christoph Breitenmoser) und Pistola (ebenso überzeugend den vermeintlichen Brutalo spielend, Boris Petronje) und der sicher und gekonnt singende und spielende Dr.Cajus (Ferdinand von Plettenberg) rundeten das heftig applaudierte Ensemble würdig ab.
Schade nur, dass das Dirigat des Nachdirigenten Rick Stengards etwas gar farblos und weich gespült war. Verdis kongeniale Partitur und die rasante Inszenierung hätten etwas mehr musikalische Kontur aus dem Orchestergraben durchaus vertragen.
Fazit:
Ein unterhaltsamer, anregender und umwerfend komischer Abend, ohne billigen Klamauk!
Musikalische Höhepunkte:
Ford: “É sogno o realtà?” (2.Akt)
Nannetta: “Sul fil d’un soffio etesio” (3. Akt)
Tutti: “Tutto nel mondo é burla.
L’uom é nato burlone,” (Finale 3. Akt)
Für art-tv: Kaspar Sannemann, 12. November 2007