Neben dem Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring, der in Kooperation mit der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) verliehen wird, vergibt das BAK jährlich insgesamt neun Schweizer Preise in den darstellenden Künsten. Ausserdem werden eine Tanz- und eine Theaterproduktion des Vorjahres ausgezeichnet sowie in Zusammenarbeit mit der Stanley Thomas Johnson Stiftung der ≪June Johnson Newcomer Prize≫ vergeben.
Lilo Baur erhält den Hans-Reinhart-Ring
Eindrücke der Preisverleihung im Theater Casino Zug und ein Überblick der diejährigen Preisträger:innen.
Der Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring ist die wichtigste Auszeichnung der Schweiz im Bereich der Bühnenkünste. Er wird vom Bundesamt für Kultur (BAK) in Kooperation mit der Schweizerischen Gesellschaft für Theaterkultur verliehen und ehrt eine Persönlichkeit oder Institution des Schweizer Schaffens im Bereich der darstellenden Künste. Er ist mit 100’000 Franken dotiert. Die Eidgenössische Jury für Darstellende Künste schlägt dem BAK die Schweizer Preise Darstellende Künste vor. Die neun Jurymitglieder vertreten ein breites Spektrum des Kulturschaffens in den darstellenden Künsten und repräsentieren die verschiedenen Sprachregionen der Schweiz.
Grand Prix Darstellende Künste
Lilo Baur (*1958, Aargau) hat ihre Karriere als Schauspielerin und Regisseurin überwiegend in London und Paris gemacht. Heute arbeitet sie vor allem als Theater- und Opernregisseurin an grossen Häusern wie der Comédie-Française oder der Opéra Comique in Paris. Sie inszeniert aber auch immer wieder in der Schweiz und ist Gastdozentin an der Manufacture in Lausanne. Im Oktober 2023 wurde «Une journée particulière» nach dem gleichnamigen Film von Ettore Scola im Théâtre de Carouge in Genf uraufgeführt. Grosse Opernproduktionen waren «Dido und Aeneas» (2011) und «Ariane et Barbe Bleu» (2012), beide in Dijon. An der Opéra de Lausanne realisierte sie 2013 «Lakmé» von Léo Delibes und 2014 die Oper «Le Pétit Prince» von Michaël Levinas. An der Comédie-Française stehen in der kommenden Saison 2024/25 «L’Avare» von Molière und «La Souricière» von Agatha Christie auf dem Spielplan. Stets ausgehend von der körperlichen Ausdruckskraft und in Zusammenarbeit mit dem ganzen Ensemble, entwickelt Lilo Baur mit Feinsinn, Sinnlichkeit und einer Prise Humor Bühnenwelten, die das breite Spektrum der menschlichen Seele erforschen.
Schweizer Preise Darstellende Künste 2024
Anne Delahaye (GE *1975): Die gebürtige Französin fällt seit vielen Jahren als Interpretin in vielen Westschweizer Produktionen auf. Sie arbeitete u.a. mit Massimo Furlan und Claire de Ribaupierre, Cie Philippe Saire, Ruth Childs oder Nicole Seiler. 2025 folgt eine Arbeit mit Marius Schaffter vom Kollektiv Old Masters.
Petra Fischer (ZH/GR *1963): Geboren in Berlin, studierte sie in Leipzig Theaterwissenschaften und arbeitet seit 2019 freischaffend als Dramaturgin, Theaterpädagogin, Dozentin und Kuratorin in der Schweiz und in Deutschland, u.a. als künstlerische Leiterin des fanfaluca Festivals in Aarau sowie am Theater Chur.
Ursina Greuel (BS/ZH *1971): Nach einem Regiestudium an der ZHdK schafft die engagierte Theatermacherin mit ihrer Gruppe Matterhorn Produktionen vielfach ausgezeichnete Stücke. Von 2006 bis 2015 präsidierte sie den Berufsverband ACT und schuf verschiedene Fördergefässe. Seit 2018 ist sie künstlerische Leiterin des sogar theater in Zürich.
Ueli Hirzel (ZH *1949): Ursprünglich Seiltänzer und Clown, sorgte er ab den 1980er Jahren mit seinen Gruppen Varieté Circus Aladin und Cirque O für Aufsehen. Mit seiner künstlerischen Arbeit und seinem Engagement als Produzent legte er den Grundstein für die nationale und internationale Szene des zeitgenössischen Zirkus.
Marchepied Cie (VD): Corinne Rochet (*1969) und Nicholas Pettit (*1967) setzen sich seit fast 25 Jahren für den Nachwuchs im zeitgenössischen Tanz ein. Ihre Marchepied Cie diente früher als Ausbildungsstätte und bietet auch heute, neben den etablierten Bildungsinstitutionen, angehenden Tanzschaffenden ein halbjähriges Engagement als wichtiges Sprungbrett ins Berufsleben.
Old Masters (GE): 2014 gründeten der Schauspieler und Dramaturg Marius Schaffter (*1980), der Szenograf und bildende Künstler Jérôme Stünzi (*1981) und die Autorin, bildende Künstlerin und Szenografin Sarah André alias André André (*1984) das Theaterkollektiv Old Masters. Sie verstehen eine Theaterproduktion als plastisches Gesamtkunstwerk und schaffen Welten mit einer ungewöhnlichen und radikalen Ästhetik.
Ivy Monteiro (ZH *1987): Die afro-brasilianische Künstlerin schafft Bühnenperformances, Videoarbeiten, Partys und Voguing-Events (einen aus der New Yorker queeren Ballroom-Subkultur entstandenen Tanzstil) mit internationaler Ausstrahlung. Sie ist auch Dozentin, Aktivistin, «Mutter» eines Ballroom-Hauses («House Mother») und gilt als Mitgründerin der Schweizer Ballroom- und Voguing-Szene.
Philippe Olza (NE/BS *1961): Der Netzwerker ist seit 1979 in verschiedensten Funktionen vor allem im Tanz tätig: zuerst auf der Bühne, später als Produzent und Veranstalter. Er restrukturierte ab 2016 zusammen mit Nicole Seiler erfolgreich die ADN – Danse Neuchâtel und programmiert im ganzen Kanton den Tanz in einer grossen Bandbreite.
Adina Secretan (VD *1980): Geboren in Genf, arbeitet sie als Dramaturgin, Tanz- und Theatermacherin und Kulturvermittlerin. Seit 2012 hat sie an verschiedenen kollektiven Experimenten teilgenommen oder diese mitinitiiert. Sie engagiert sich ausserdem für faire Produktionsbedingungen und eine angemessene Entschädigung von Kunstschaffenden.
Ausgezeichnete Tanz- und Theaterproduktionen
Aus dem Wettbewerb zur Tanzproduktion wählte die Jury aus 21 Anmeldungen «L’oeil nu» von Maud Blandel (VD *1986): In diesem sehr persönlichen Stück mit sechs Tänzer:innen verarbeitet Maud Blandel den Suizid ihres Vaters, den sie als Kind erlebte, und erforscht auf der Bühne Vergänglichkeit und Zeitlichkeit. Aus der Shortlist mit 16 Produktionen für das Schweizer Theatertreffen 2024 wählte die Jury «Introducing Living Smile Vidya» von und mit Living Smile Vidya (LU *1982) aus, produziert von Das Theaterkolleg: Die indische Schauspielerin und Trans-Aktivistin floh aufgrund ihres schwierigen Schicksals als Transfrau in Indien in die Schweiz. Ihre Geschichte rollt sie persönlich, direkt und mit frechem Humor in ihrem Solo auf.
June Johnson Newcomer Prize
Aus den 31 Eingaben zum Wettbewerb schlug ein Juryausschuss vier Kandidaturen vor. Daraus wählte die Stiftung Anna-Marija Adomaityte (GE *1995): Geboren in Litauen, absolvierte sie einen Bachelor of Arts in zeitgenössischem Tanz an der Manufacture in Lausanne und parallel zu ihrer choreografischen Arbeit einen Master of Arts in bildender Kunst an der École cantonale d’art de Lausanne (ECAL). Ihr aktuelles, erst drittes Werk «TikTok-Ready Choreographies» überzeugt durch seine Ausdruckskraft, auch dank der Zusammenarbeit mit einer Gruppe junger TikTokerinnen.
(Textgrundlage: BAK)