5x2 Tickets zu gewinnen | Spielfilm | My Favourite Cake
- Publiziert am 23. September 2024
Liebesgeschichte und ein Schrei nach Freiheit zugleich.
Das iranische Regieduo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha hat mit MY FAVOURITE CAKE (Keyke Mahboobe Man) einen – nur vordergründig – schlichten wie unfassbar starken Film realisiert. Er ist eine bewegende Liebesgeschichte, ein Schrei nach Freiheit und eine flammende Anklage gegen das mörderische Mullah-Regime.
Synopsis
Die 70-jährige Mahin lebt seit dem Tod ihres Mannes und der Ausreise ihrer Tochter nach Europa allein in Teheran. Ein Nachmittagstee unter Freunden gibt den Anstoss dazu, ihre einsamen Beschäftigungen aufzugeben und ihr Liebesleben wieder zu aktivieren. Mahin öffnet ihr Herz für eine neue Liebe. Aus einer spontanen Begegnung wird ein überraschender, unvergesslicher Abend. (Berlinale)
arttv Rezension von Geri Krebs
Geschichten über einsam lebende, verwitwete Menschen, die sich noch im Spätherbst ihres Lebens nach Liebe, Sex und Zärtlichkeit sehnen und es nicht bei der Sehnsucht belassen, sind im Kino nach wie vor eine Seltenheit. Erst recht, wenn die aktiv suchende Person eine Frau ist. ANGST ESSEN SEELE AUF hiess vor einem halben Jahrhundert ein Film des grossen Rainer Werner Fassbinder – seinerseits inspiriert vom noch einmal zwanzig Jahre früher entstandenen ALL THAT HEAVEN ALLOWS von Douglas Sirk, der damit seiner Zeit unendlich weit voraus war. Dass nun ein Film aus dem Iran sich des Themas annimmt, ist für sich allein schon erstaunlich – gehört doch die geradezu pathologische Sexualunterdrückung zur DNA der islamischen Republik Iran. Waren bei den erwähnten Melodramen von Fassbinder und Sirk soziale Schranken und grosse Altersunterschiede die unüberwindbaren Hindernisse für die Liebe, so ist es im Film von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha einfach die erstickende Realität eines Regimes, das sich bis in die privatesten Belange seiner Untertanen einmischt.
Der Anfang einer grossen Liebe
Mahin heisst die siebzigjährige Protagonistin hier und hat erwachsenen, längst ausgeflogenen Nachwuchs, wie bei Fassbinder und Sirk. Darunter auch eine Tochter, die im Ausland lebt, der es jedoch nicht in den Sinn käme, ihrer Mutter Vorschriften über deren Lebensweise zu machen – das besorgt hier der Staat. Als Mahin den gleichaltrigen pensionierten Taxifahrer Fatramaz kennenlernt – einen schüchternen Mann mit gutem, aber schwachen Herzen – kann der es kaum fassen, in seinem Alter von einer Frau nicht nur angesprochen, sondern auch zu ihr nach Hause eingeladen zu werden. Eine wunderbare Liebesgeschichte könnte hier ihren Anfang nehmen. Doch die Verhältnisse im Reich der Mullahs sind nicht so.
«Vergeuden Sie ihr Leben nicht»
Um Politik geht es in MY FAVOURITE CAKE eigentlich überhaupt nicht. Und doch schafft es der Film, die stetig präsente Angst, unter der die Menschen im Iran gezwungen sind zu leben, ganz beiläufig zu vermitteln. Etwa wenn man in einer Szene sieht, welche Vorsichtsmassnahmen die Frau trifft, wenn der Mann zu ihr nach Hause kommt. In nur einer Szene wir der Film explizit politisch, und es stockt einem der Atem, wenn man hier so offen die faschistische Fratze des iranischen Regimes auf der Leinwand zeigt. «Sie sind jung, vergeuden Sie Ihr Leben nicht», sagt die in einem Park spazierende Mahin zum Sittenpolizisten, der in seiner schwarzen Uniform fatale Erinnerungen weckt und der mit starrer Mine die «Arbeit» seines Kollegen und seiner zwei in schwarze Ganzkörperschleier gehüllten Kolleginnen überwacht. Diese sind gerade dabei, zwei schreiende junge Frauen in einen Arrestwagen zu zerren, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben. Mahin kann es verhindern, dass auch noch eine dritte junge Frau verhaftet wird. Natürlich wird die Erinnerung an Mahsa Amini mit dieser Szene wach, die im September 2022 in Polizeigewahrsam totgeschlagen wurde, weil sie das Kopftuch nicht richtig trug.
Fazit: Das iranische Regime ist eines, das das Leben verhindert und dem Tod huldigt, das ist die Message von MY FAVOURITE CAKE und das vermittelt der Film ohne jedes Pathos, dafür umso eindringlicher.