3 Bücher | Was wir scheinen | Hildegard Keller
- Publiziert am 25. Februar 2021
Ein Roman über Liebe und Unabhängigkeit, eine umfassende Annäherung an Hannah Arendt
Hildegard E. Keller schickt ihre Hauptfigur einen Sommer lang ins Tessin, um dort das Leben Revue passieren zu lassen. Hannah Arendt denkt über das Buch nach, das sie fertigschreiben will, spricht mit den Rotkehlchen und unternimmt kleine Eskapaden. Eine grosse Lebensreise zwischen Tegna und Manhattan, Jerusalem und Berlin.
Zum Buch
Im Sommer 1975 reist Hannah Arendt ein letztes Mal von New York in das Tessiner Dorf Tegna. Von dort fliegen ihre Gedanken zurück nach Berlin und Paris, New York, Israel und Rom. Und sie erinnert sich an den Eichmann-Prozess im Jahr 1961. Die Kontroverse um ihr Buch «Eichmann in Jerusalem». Ein Bericht über die Banalität des Bösen forderte einen Preis, über den sie öffentlich nie gesprochen hat.
● Verlost werden 3 Bücher mit je 1 signierten Karte von Hildegard Keller.
Was wir scheinen | Hildegard E. Keller | Verlag: Eichborn | 26. Februar 2021 | 576 Seiten | ISBN: 978-3-8479-0066-5
Eichborn Verlag
Zur Autorin
Hildegard E. Keller, Autorin und Literaturwissenschaftlerin, macht Theaterstücke, Hörspiele und Filme, die Frauen und ihre Werke ins Leben zurückholen. Sie war Jurorin beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt (2009–2019) und Mitglied im Literaturclub SRF (2012–2019). Zehn Jahre lang lehrte sie in den USA an der Indiana University in Bloomington, heute lehrt sie Storytelling an der Universität Zürich. «Was wir scheinen» ist ihr erster Roman.
Leseprobe
Auf der Fensterablage lagen die Zigaretten und das Feuerzeug, ein Geschenk von Heinrich zum Sechzigsten. Es funktionierte noch immer tadellos, nur dass die Flamme etwas zu gross war. Ganz Monsieur. Sie zündete sich eine Zigarette an, den Kopf leicht schräg gelegt, und machte zwei tiefe Züge. Sie nahm ihre schwere Hornbrille von der Nase, rieb sich kurz die Augen und setzte die Brille wieder auf, aber das bleierne Gefühl in den Schläfen war immer noch da.Früher schlug ich mir auf Transatlantikflügen locker zwei Nächte um die Ohren, aber jetzt? Sie drückte die zur Hälfte gerauchte Zigarette in den Aschenbecher, stand auf und öffnete das Fenster, aber nur einen Spalt breit, damit es nicht auf ihre Bücher regnete. Ihre Gelenke schmerzten. Zwölf Stunden in der unterkühlten Boeing B-747 vom J.F. Kennedy Airport bis nach Zürich, kein Pappenstiel, auch wenn sie beide Flughäfen aus dem Effeff kannte. Möglich, ja, vielleicht könnte es etwas viel gewesen sein. Wie besorgt hatten ihre Freundinnen geblickt, nachdem sie letztes Jahr aus Schottland heimgekommen war und ihr Leben wieder aufgenommen hatte. Die Worte waren eindringlich gewesen. Hannah, nach dem Herzinfarkt solltest du jetzt wirklich kürzertreten. Ein Mann im Nachbarabteil blickte von seiner Zeitung auf und grüsste mit einem Nicken. So freundlich, wie der dreinschaut, dachte sie, fragen kostet ja nichts.
»Könnte der Herr mir in Locarno vielleicht mit den Koffern helfen, falls mein Fahrer nicht auf dem Bahnsteig steht?« »Selbstverständlich, gern.«