Als eine der ersten Einwanderergruppen haben Menschen aus Italien die Schweiz in vieler Hinsicht geprägt. Die Literaturtage Zofingen beleuchteten, wie italienische Migrant:innen die schweizerische Gesellschaft geprägt haben und welche Herausforderungen sie im Laufe der Zeit bewältigen mussten. Darüber hinaus wurden herausragende literarische Werke zeitgenössischer Autor:innen vorgestellt, die auf Italiens komplexe Lebensrealitäten und seine bewegte Geschichte eingehen.
Zwischen Sehnsuchts- und Herkunftsort
Podiumsdiskussion: Italienische Einwanderung in der Schweiz
Literaturtage Zofingen vertieften das Thema der Migration mit einem Podium. Die Veranstaltung bot die Gelegenheit, das Erbe und die Bedeutung der italienischen Gemeinschaft in der Schweiz zu verstehen. Guglielmo Bozzolini, Geschäftsführer des Erwachsenenbildungsinstituts ECAP, sprach über die Bedeutung von Bildung und beruflicher Weiterbildung für Migrant:innen. Franco Supino, der als Kind italienischer Gastarbeiter in der Schweiz aufwuchs, verarbeitete seine Sicht auf Migration und Integration in zahlreichen seiner Romane. Fabiano Alborghetti recherchierte viel für seinen Roman «Maiser»und hat mit Zeitzeug:innen gesprochen, um das Schicksal einer Gastarbeiterfamilie aus den 1950er-Jahren authentisch darzustellen.
Drei Buchempfehlungen aus dem Programm
«Der Aufruhr unserer Herzen» von Ginevra Lamberti
Das Tal, in dem Costanza aufwächst, scheint in der Zeit erstarrt, genau wie die Menschen mit ihren Regeln und Riten. Während der Krieg ihre Mutter Augusta noch nach Mailand verschlug, bevor sie in der Enge des Tals Halt fand, träumt die Tochter vom unbändigen, wahren Leben. Sie treibt sich herum, reisst aus und kehrt heim, bis sie Claudio kennenlernt. Gemeinsam bricht das Paar auf und geht voller Hoffnung nach Rom. Doch Überschwang und Hedonismus, die Costanza zunächst anzogen, bringen bald ganz eigene Abgründe mit sich. (Verlagsinformation)
«Hinter verschlossenen Türen» von Sacha Naspini
Im rauen Herzen der Maremma liegt ein alter, in Felsen gehauener Ort, Le Case genannt. Es ist ein aussterbendes Dorf, ein Provinznest, in dem sich die Bewohner:innen in einem Fluss öder Tage dahinschleppen. Bis ihre Gemeinschaft durch die Ankunft von Samuele Radi aufgerüttelt wird, der in Le Case geboren und aufgewachsen ist, aber den Absprung geschafft hat. Seine Rückkehr haucht alten Geheimnissen und Animositäten neues Leben ein Samueles heimliche Liebesbeziehung zu Eleanora, die neu im Dorf ist, macht die Sache auch nicht einfacher. Mit seiner literarischen, schwarzhumorigen und vielperspektivischen Erzählweise schafft Sacha Naspini einen kraftvollen Roman, der mit den Genres spielt und Noir, Psychothriller und Liebesgeschichte mischt. Seine raffinierte Struktur und die unvergesslichen Charaktere machen den Roman zu einem psychologischen Meisterwerk und einer scharfsinnigen Analyse der menschlichen Abgründe. (Verlagsinformation)
«Spurlos in Neapel» von Franco Supino
Was wäre in Neapel aus ihm geworden, in der Stadt seiner Eltern? Als Kind plagte ihn die Angst, die Schweiz und alle seine Freunde verlassen zu müssen. Darum war es für ihn wie eine Befreiung, als 1980 in Süditalien die Erde bebte und innerhalb von neunzig Sekunden die Rückkehrpläne der Eltern in Schutt und Asche lagen. Nach dem Tod des Vaters, viele Jahre später, begibt sich der Erzähler auf Spurensuche nach Neapel, eine Stadt, deren Sprache er spricht, deren Gesetze ihm aber fremd sind. Unter den vielen Geschichten, die er hier hört, lässt ihn eine nicht mehr los, die Geschichte von Antonio Esposito: ein gestohlenes Migrantenkind aus Westafrika, das in eine Camorrafamilie aufgenommen wurde, eine kriminelle Karriere machte und dann spurlos verschwand. Was ist aus diesem Antonio geworden? Ist er tot? Hat er eine neue Identität angenommen? Oder ist er untergetaucht im hoffnungslos überfüllten Castel Volturno, als Namenloser unter Tausenden von afrikanischen Migranten? (Verlagsinformation)
Franco Supino (*1965, Solothurn) wuchs als Kind italienischer Eltern zweisprachig auf. Er studierte in Zürich und Florenz Germanistik und Romanistik. Supino ist Dozent an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz und freier Autor. Sein erster Roman «Musica Leggera» erschien 1995. Es folgten fünf weitere Romane, in denen Supino die eigene Migrationsgeschichte und verschiedene Künstlerbiografien erzählerisch erforscht. In den letzten zehn Jahren hat er sich vermehrt der Kinder- und Jugendliteratur zugewandt.
(Textgrundlage: Literaturtage Zofingen)