Kaum ein Kind, das den Gebrüdern Grimm nicht seine frühesten Begegnungen mit der Welt des Unheimlichen, aber auch jener des Trostes zu verdanken hätte.
Museum Strauhof Zürich | Brüder Grimm
Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm seit 200 Jahren
Als Jacob und Wilhelm Grimm zu Anfang des Jahres 1813 die ersten Exemplare ihrer «Kinder- und Hausmärchen» in den Händen hielten, war ihr Welterfolg in den seither 200 Jahren nicht absehbar. Erst als eine 1823 publizierte Auswahl daraus in englischer Sprache auf Anhieb grossen Erfolg hatte und die Brüder Grimm darauf 1825 ebenfalls eine Kleine Ausgabe publizierten, fanden die «Kinder- und Hausmärchen» auch in Deutschland zunehmende Verbreitung.
Die Vorstellungen von Tugend und Frömmigkeit
Zum wachsenden Erfolg trug aber auch bei, dass die Brüder Grimm die anfängliche Textgestalt mit jeder Ausgabe überarbeiteten. Einwendungen von Freunden folgend, die Sprache der Märchen sei nicht kindergerecht, versuchten sie, einen einheitlichen, mündliches Erzählen rekonstruierenden Märchenton zu treffen. Auch biedermeierliche Vorstellungen von Tugenden wie Frömmigkeit, Demut, Bescheidenheit, Gehorsam, Pflichterfüllung, Fleiss, Reinlichkeit und Mitgefühl gegenüber Schwachen und Tieren setzten sich in den Bearbeitungen zunehmend durch. Im weiteren haben zur Popularität der Märchen die Illustrationen stark beigetragen, die mit den neuen Reproduktionstechniken möglich wurden.
Interpretationen der Märchen
Zwar hält sich nach wie vor hartnäckig die Vorstellung, die Märchen seien aus der Wiege des Volkes gehoben, wo sie in langer Zeit mündlich tradiert worden seien. Die Märchenforschung hat jedoch die Quellen der Brüder Grimm teils bei italienischen (Basile, Straparola) und französischen (Perrault) Autoren gefunden, teils bei orientalischen Sammlungen wie den «Erzählungen aus 1001 Nacht». Und je nach Standpunkt der Interpreten fand man in den Märchen Konstanten des menschlichen Seelenlebens oder Modelle erfolgreichen Stressmanagements, die Bestätigung des schlechten Bestehenden oder den utopischen Vorschein einer klassenlosen Gesellschaft.