«Weltreisen» ist das Thema der Bücher in der aktuellen Ausgabe von MEPHISTO. Kann das Reisen heute noch ein Abenteuer sein? Oder ist die Reiseliteratur obsolet geworden? Den lebenden Gegenbeweis hat Tilman Hoffer zum Interview getroffen: den Starjournalisten Helge Zimmerberg.
Literatursendung Mephisto | Weltreisen
Das Buch des Reisens
Herausgegeben von Rainer Wieland, versammelt das Buch Auszüge aus Reiseberichten aus 2500 Jahren, von Hanno dem Seefahrer und Herodot bis zur brillanten Kreuzfahrt-Reportage von David Foster Wallace. Der Form einer festlich edierten und mit prächtigen Illustrationen geschmückten Anthologie haftet zwar immer etwas Streberhaftes und Bildungsbürgerliches an, aber Wieland hat einen ausgesprochen unterhaltsamen Band zusammengestellt, dem tatsächlich gelingt, was andere immer nur behaupten: die Helden, Draufgänger, Flaneure und Grössenwahnsinnigen der Vergangenheit zu einer Art über-geschichtlichem Gespräch zu versammeln.
Letzter Bus nach Coffeeville
Wesentlich betulicher geht es in diesem literarischen Roadmovie für eher empfindsame Naturen zu, verfasst vom amerikanischen Autor J. Paul Henderson. Die beiden älteren Herrschaften Doc und Nancy fahren gemeinsam durch die Südstaaten der USA, denn vor langer Zeit, als die beiden noch jung und ein Paar waren, hatte Nancy Doc ein Versprechen abgenommen: Sollte sie jemals, was in ihrer Familie üblich ist, an Alzheimer erkranken, so möge Doc sie nach Coffeeville auf einen abgeschiedenen Landsitz ihrer Familie begleiten und ihr dort beim Selbstmord helfen. Das Ganze soll wohl irgendwie heiter-melancholisch, leichtfüssig und doch tiefgründig wirken. Leider gerät die Fahrt, die ausserdem noch durch allerlei Rückblenden eine Tour durch die Geschichte Amerikas sein soll, zu einer Aneinanderreihung von rührseligen Plattheiten und Klischees, die den Leser auf Dauer nervt. Das einzige Problem: Man kann Henderson, diesem herzensguten Märchenonkel, nicht wirklich böse sein. Trotzdem sollte man sein Buch nur aufschlagen, wenn man sich mal wieder wie ein kleines Mädchen fühlen will.
Mein Leben
Über ein halbes Jahrhundert lang war Peter Scholl-Latour Deutschlands führender Auslandkorrespondent. Er starb am 16. August 2014 im Alter von neunzig Jahren. Der posthum erschienene erste Band seiner Autobiographie «Mein Leben» ist das letzte von insgesamt über dreissig Büchern, in denen Scholl-Latour von fast allen Krisen- und Kriegsschauplätzen rund um den Globus berichtet und seinem Publikum die Welt der grossen Geopolitik erklärt. Im Werk Scholl-Latours gibt es keinerlei stilistische Entwicklung, sein Erzählton bleibt über alle Verwerfungen des 20. Jahrhunderts vollkommen konstant. Zum Glück! Seine Autobiographie ist nicht nur ein Panorama faszinierender Einblicke in die vordersten Fronten der europäischen Nachkriegsordnung, des französischen Algerienkrieges und des von Scholl-Latour als durchaus romantisch empfundenen Indochina-Feldzugs. Sie ist auch das Zeugnis eines Lebenswegs, der als solcher beeindruckend und vielleicht sogar beispielhaft genannt werden kann.
Die rote Olivetti
Auch für Helge Timmerberg, den legendenumwobenen Abenteuerjournalisten und Pionier des deutschsprachigen New Journalism, war Peter Scholl-Latour ein grosses Vorbild, wie er im Gespräch mit Tilman Hoffer verrät. Sein neues Buch «Die rote Olivetti» handelt von seinen Anfängen in Bielefeld, seinen wilden Nächten in Havanna und einem Moment der Erleuchtung im Himalaja. Im arttv-Interview erzählt Timmerberg, der Indiana Jones des deutschen Journalismus, ausserdem von Goldsuchern am Amazonas, oder auf welche verschiedenen Arten man von einem Krokodil gefressen werden kann, und worauf es im Leben wirklich ankommt.