Basierend auf eigenen Kindheitserlebnissen hat die iranisch-australische Regisseurin Noora Niasari ein starkes Debüt realisiert, das am renommierten Sundance Film Festival mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. SHAYDA erzählt eine Geschichte von grosser Wahrhaftigkeit, in der Hauptrolle glänzt die mit «Holy Spider» international bekannt gewordene Schauspielerin Zar Amir Ebrahimi. arttv Filmkritiker Geri Krebs hat den Film gesehen.
SHAYDA
SHAYDA | Synopsis
Die Iranerin Shayda lebt mit ihrem Ehemann Hossein und der gemeinsamen sechsjährigen Tochter Mona in Australien. Weil ihr Mann ihren westlichen Lebensstil nicht akzeptieren will, kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen. Shayda sucht mit dem Mädchen Zuflucht in einem Frauenhaus und reicht die Scheidung ein. Die kleine Mona ist ob der neuen Situation verunsichert, Shayda bemüht sich, trotz der schwierigen Umstände möglichst viel Normalität in den Alltag zu bringen. Als das persische Neujahrsfest naht, wächst ihre Hoffnung auf einen echten Neuanfang – dann aber räumt ein Richter ihrem Mann das Recht ein, Mona regelmässig zu sehen…
SHAYDA | Rezension
Von Geri Krebs
Ein Jahr alt war Noora Niasar als ihre Eltern, Akademiker aus der iranischen Mittelschicht aus dem Iran nach Australien emigrierten. Und fünf Jahre war sie alt, als das passierte, was sie in Shayda erzählt. Noora Niasar hat das Drehbuch basierend auf Erzählungen ihrer Mutter geschrieben. Sie war es, die ihr half, in Australien jene Freiheit für ein selbstbestimmtes Leben zu finden, die es im Reich der Mullahs für Frauen bis heute nicht mehr gibt. Doch den Geist jenes despotisch-patriarchalen Regimes hatte der Vater von Noora Niasarai – der hier im Film Hossein heisst – so weit verinnerlicht, dass das Leben für Mutter und Tochter bald zur Hölle wurde.
Fundamentalistischer Wahnsinn
Er wollte, dass seine Frau auch weiterhin mit einem Hijab herumläuft und überhaupt machte er ihr dauernd Vorwürfe wegen ihres ‹unislamischen› Lebensstils. Als zum Psychoterror dann auch massive körperliche Übergriffe hinzukamen, hatte sie irgendwann genug. Sie flieht zusammen mit der Tochter in ein Frauenhaus. Doch ihre Verbundenheit mit ihrem Heimatland bleibt gross, immer wieder telefoniert sie mit ihrer Familie im Iran, und als sie ihrer Mutter sagt, sie werde die Scheidung einreichen, reagiert diese total ablehnend.
Mut auszubrechen
Man spürt die Gewissenskonflikte, in die Shayda in solchen Momenten gerät, fast physisch. Schauspielerin Zar Amir Ebrahimi, welche die Hauptfigur mit unglaublicher Präsenz verkörpert, weiss aus eigener Erfahrung was es bedeutet vom Regime der fundamentalistischen Wahnsinnigen in Iran verfolgt zu werden. Sie war in Iran eine bekannte Darstellerin, als sie wegen eines Videos – das ihr ‹unislamisches› Verhalten zeigte – angeklagt wurde und 2008 im letzten Moment noch aus dem Land fliehen konnte. Im Film sieht man sie, Shayda, wie sie im Kreis der Frauen im Frauenhaus Schritte für die Scheidung einleitet, trotz des Widerstands ihrer Familie im Iran. Doch ihre Gewissensbisse gehen so weit, dass sie sich dann doch wieder zögert. Vor allem weil plötzlich Hossein auftaucht.
Frau, Leben, Freiheit
Er hat herausgefunden, wo seine Frau lebt und hat Kontakt zu den australischen Behörden aufgenommen. Er, der kultivierte Akademiker, schafft es sich als geläuterter, reuiger Mann und Vater zu inszenieren, der eine zweite Chance verdient. Und nicht nur die zuständige Sozialbehörde, auch Shayda fällt darauf herein. Das vertrackte Katz- und Mausspiel zwischen Hossein, Shayda und der kleinen Mona – bei der bald klar wird, dass Hossein sie in den Iran entführen will – lässt einen den Atem stocken. Noora Niasari schafft es in ihrem Drama bis zuletzt die Spannung aufrechtzuerhalten. Ihren Film widmet sie jenen iranischen Frauen, die just im September 2022 den Aufstand wagten, als die Regisseurin daran war, im fernen Australien mit der Postproduktion von Shayda zu beginnen.
Fazit: Filme über Frauen, die sich aus einer von Gewalt geprägten Beziehung befreien, gab es zwar schon einige. Doch wenn diese Gewalt in komplexe religiöse Dynamiken eingebunden ist, hat sich das Kino bisher zurückgehalten. Es ist das grosse Verdienst von Noora Niasari, diese Dynamik hier in ihrem Spielfilmdebüt mit viel Sensibilität auf die Leinwand gebracht zu haben.