Wie stehen wir zueinander? Rücken an Rücken, um uns gegenseitig zu stützen? Schulter an Schulter, um gemeinsam für eine Sache zu kämpfen? Oder vis-à-vis, plaudernd, lachend, streitend? «Vis-à-vis» bedeutet wörtlich «Angesicht zu Angesicht». Wenn uns eine Person ihr Gesicht zuwendet, so sagt sie: Ich sehe dich, ich höre dich, ich nehme dich wahr. Kulturschaffende aus Thalwil nähern sich auf ganz unterschiedliche Weise während der Kulturtage 2021 an das Thema «vis-à-vis» an.
Kulturtage Thalwil | Vis-à-vis
Ein langer Tisch bietet Bühne und Begegnungsstätte zugleich. In der Tanzperformance lösen sich die Grenzen zwischen den Zuschauern und Akteuren auf. Die Beteiligten erleben hautnah die Wahrnehmungen und Gewohnheiten des Gegenübers, das in seiner Andersartigkeit wiederum die Eigenheiten seines Gegenübers spiegelt. Inspiration des Projekts ist die Performance «The Artist Is Present» von Marina Abramović, die 2010 im MoMA New York während drei Monaten aufgeführt wurde.
Künstlerische Leitung, Choreographie: Oliver Dähler | Tanz, Mitarbeit Choreographie: Dominique Cardito, Azusa Nishimura, Manel Salas
Aus dem Programm
Hand und Fuss Für die Dauer der Kulturtage wird das Gemeindehaus zur Kunstgalerie. Gezeigt werden die grossformatigen Ölgemälde des Thalwiler Künstlers Manuel Stehli, der seine Werke bereits in verschiedenen Gruppen- und Einzelausstellungen in Frankfurt, Paris, Berlin und Zürich ausstellen konnte. Der Künstler konzentriert sich in seinen Werken auf die Darstellung menschlicher Figuren. Seine Portraits erscheinen auf den ersten Blick dem Publikum als Gegenüber, werden aber nie ganz greifbar und verweigern sich einer bestimmten Verortung in Raum und Zeit. Dadurch wohnt seinen Bildern ein eigentümlicher Schwebezustand inne: zwischen Präsenz und Stille, Intimität und Entrücktheit.
Vis-à-vis meiner Linse Was liegt von Thalwil aus gesehen am gegenüberliegenden Ufer? Erlenbach! Die Goldküste! Die Reichen und Schönen, während Thalwil an der ‹Pfnüselküste› liegt! Doch wer kennt dieses Gegenüber überhaupt? Interessiert es jemanden wirklich? Oder werden einfach nur Vorurteile gepflegt? In ihrer fotografischen Installation wirft Susanne Scherer einen Blick auf die gegenüberliegende Seegemeinde.
Portraits aus der Nachbarschaft Gute Nachbarschaft ist eine wertvolle Ressource, die viel zur Lebensqualität beiträgt. Sie bereichert das Zusammenleben und verbindet Jung und Alt, indem sie Begegnungen schafft. In einem kurzen Film erzählen Menschen aus Thalwil, wie sie das besondere Vis-à-vis der Nachbarschaftshilfe erleben.
Mensch, Natur, Kunst. Vis-à-vis? Hinterfragt wird das «Gegenüber» von Mensch und Natur, die Trennung von Geist und Materie. Es ist konstruktiv, wenn Dinge als Gegenstände «auf den Begriff» gebracht, untersucht und nutzbar gemacht werden. Destruktiv wird aber das einseitig rationale, mechanistische Weltbild, das sich mit Macht im Machbaren einrichtet. Wer sich am Organismus Leben ausrichtet, bemerkt in der Literatur und Kunst das Ringen um ein Gleichgewicht zwischen Aussen und Innen, Sichtbarem und Unsichtbarem. Verzichtet das gestaltende Ich auf die Perspektive und den absoluten Standpunkt, fixiert es das «Gegenüber» nicht. Was sich bewegt, kann nicht endgültig festgestellt werden. Statt Einteilen und Urteilen werden Teile im Ganzen verbunden. Den Vortrag ergänzt die Autorin durch die Lesung poetischer Texte zur Natur und zu Bildern, die das sich wandelnde «Vis-à-vis» veranschaulichen.
Das vollständige Programm der Kulturtage Thalwil findet sich auf der Webseite.